Streikauftakt auf Bohrinseln
Von Dieter Reinisch, Belfast
Von den Rekordgewinnen der Ölmultis – Shell erzielte 2022 mit 37 Milliarden Euro das beste Ergebnis der 115jährigen Firmengeschichte, die britische BP kam auf 26 Milliarden – kommt bei den Arbeitern der Konzerne nichts an. Die schottischen Ölplattformen in der Nordsee werden deshalb seit Mittwoch bestreikt. Geplant ist eine Serie von 24-, 48- und 72stündigen Ausständen bis vorläufig 7. Juni. Organisator ist die Unite, eine der kämpferischsten britischen Gewerkschaften zur Zeit. Zuletzt erkämpfte sie 16,2 Prozent Lohnerhöhung für die Busfahrer in den englischen Midlands.
Vor dem Streikauftakt auf den Bohrinseln schrieb Unite-Generalsekretärin Sharon Graham in einer Aussendung: »Bohrkonzessionen sind effektiv Lizenzen zum Gelddrucken.« Um in den Lohnverhandlungen einen »fairen Anteil vom Kuchen« zu erkämpfen, legen mehr als 1.500 Beschäftigte der Plattformen die Arbeit nieder. Graham warnte: »Dies wird einen Tsunami industrieller Unruhen im Offshore-Sektor auslösen.«
Plattformen und Offshore-Anlagen am »United Kingdom Continental Shelf« sollen zum »Stillstand« gebracht werden, verspricht Unite mit Hinweis auf die Spezialisierung der Mitglieder. Viele große Öl- und Gaskonzerne sind betroffen: BP, CNRI, Enquest, Harbour, Ithaca, Shell und Total. In allen Unternehmen stimmten mindestens 93 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für den Arbeitskampf. Zuletzt entschieden die Mitglieder im Unternehmen Worley Services UK, die auf vier Bohrinseln in der Nordsee arbeiten, einstimmig. Graham sprach von »einer weiteren nachdrücklichen Bestätigung«.
Neben besseren Arbeitsbedingungen fordert die Gewerkschaft eine Erhöhung des Grundgehalts um sieben Pfund (acht Euro) pro Stunde und den vollen Lohn für Bereitschaftsdienste. In aller Regel haben die Beschäftigten der Großkonzerne und ihrer Subunternehmen in den vergangenen Jahren Reallohnverluste hinnehmen müssen, bei den 80 Arbeitern der Wood Group UK Limited beispielsweise waren es zehn Prozent. Unite-Organisator John Boland spricht von großer Wut auf die »Gier der Offshore-Betreiber« und kündigt an, dass »Dutzende Plattformen zum Stillstand gebracht werden«.
Die Eigentümer der nun bestreikten Bohrinseln haben im Jahr 2022 einen Gesamtgewinn von 146 Milliarden Pfund (166 Milliarden Euro) erzielt, zeigt eine Studie der NGO Global Witness. Auch Greenpeace UK hat sich solidarisiert mit den Arbeitern, die »im Stich gelassen wurden, während Chefs und Aktionäre zig Milliarden Pfund eingesammelt haben«, wie Sprecher Mel Evans dem Guardian sagte. Überfällig sei auch »eine angemessene Steuer auf diese obszönen Gewinne«, fügte Evans an.
Zwar gibt es eine 40-Prozent-Steuer auf Gewinne aus der Öl- und Gasförderung im Vereinigten Königreich, die Multis können aber Verluste aus früheren Jahren, Kosten für die Stilllegung alter Bohrinseln oder künftige Investitionen abschreiben. Das führt dazu, dass BP und Shell oft gar keine Steuern zahlen und statt dessen Förderungen von der britischen Regierung erhalten.
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