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Aus: Ausgabe vom 30.03.2023, Seite 3 / Schwerpunkt
Schmutzige Waffen

NATO-Verseuchung hat Tradition

Einsatz von Uranmunition beim transatlantischen Kriegsbündnis wiederkehrendes Mittel
Von Karin Leukefeld
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Mit Air-Force-Bombern des Typs Thunderbolt II wurde während des Kosovo-Krieges Uranmunition abgeworfen

Der Angriff der NATO auf Jugoslawien am 24. März 1999 begann ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates. Er dauerte 78 Tage. Nach Angaben des transatlantischen »Verteidigungsbündnisses« sollte ein Genozid an der albanischen Bevölkerung im Kosovo verhindert werden. Ebenfalls laut NATO flogen Kampfjets der beteiligten Armeen, darunter die Bundeswehr, 38.000 Einsätze. Bei mehr als 10.000 dieser Einsätze wurde bombardiert, auch mit abgereicherter Uranmunition.

Anlässlich einer Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Angriffs erklärte der serbische Präsident Aleksandar Vucic, Serbien werde die Aggression nicht vergessen. »Vor 24 Jahren haben Sie unser Territorium zerrissen«, sagte Vucic Medienberichten zufolge in Richtung NATO. »Sie haben 79 Kinder und 2.500 Staatsangehörige getötet, Zivilisten, Soldaten und Polizisten. Wofür halten Sie sich, unsere Soldaten und Polizisten in ihrem eigenen Land zu töten? Wer hat Ihnen das Recht dazu gegeben?«

Nach Angaben des Belgrader Forums für eine Welt der Gleichen wurden 15 Tonnen Munition mit abgereichertem Uran (DU) abgeworfen. Nach serbischen Angaben erkrankten während der ersten Jahre nach dem Krieg im Kosovo mehr als 30.000 Menschen an Krebs. Die Zahl der im selben Zeitraum an Krebs Gestorbenen liegt nach Schätzungen zwischen 10.000 und 18.000. Anwälte versuchen, die NATO wegen des Einsatzes von DU-Munition gegen die Bevölkerung zu verklagen, bis heute ohne Erfolg.

Das Belgrader Forum für eine Welt der Gleichen ist ein Zusammenschluss serbischer Diplomaten, Analysten, Militärs und Mediziner. Es hat die serbische Regierung wiederholt aufgefordert, das juristische Vorgehen gegen die NATO stärker zu unterstützen. Belgrad hatte direkt nach dem Kosovo-Krieg eine parlamentarische Untersuchungskommission eingestellt. Vermutlich wurde die Regierung von der EU wie auch von seiten der Kriegsallianz unter Druck gesetzt, ein juristisches Vorgehen nicht zu unterstützen. Und Möglichkeiten, diesen Druck auszuüben, hat die NATO, denn Serbien versucht schon länger, in das westliche Militärbündnis einbezogen zu werden.

Auch anlässlich des Jahrestags zur Erinnerung an den Krieg gegen Jugoslawien 1999 hat das Belgrader Forum die serbische Regierung entsprechend aufgefordert. Die Arbeit der parlamentarischen Kommission über die Folgen des Einsatzes von DU-Bomben während der NATO-Aggression sollte wiederaufgenommen werden. Bis zum 25. Jahrestag des NATO-Krieges (2024) soll die Regierung eine genaue Liste aller zivilen Kriegsopfer vorlegen. Weiterhin sollen alle Kapitel über die NATO-Aggression in Schulbüchern überarbeitet werden, um sicherzustellen, dass die Ereignisse wahrheitsgemäß dargestellt werden.

Bereits im August/September 1995 war DU-Munition in Bosnien (damals noch Teil Jugoslawiens) eingesetzt worden. Darüber berichteten Mitglieder einer Expertengruppe aus der Republika Srpska bei einem internationalen wissenschaftlichen Symposium im Irak über den Einsatz von abgereicherter Uranmunition und die Folgen für die Menschen und die Umwelt. Die Expertengruppe hatte unbekannte Bombengeschosse untersucht, die nach Einsätzen von ausländischen Kampfjets in dem Gebiet Srpska gefunden worden waren. Es stellte sich heraus, dass die Geschosse aus US-amerikanischer Herstellung stammen und DU-Munition enthalten.

Die Untersuchungsergebnisse der Expertengruppe halfen den irakischen Wissenschaftlern, die auf dem Symposium in Bagdad (am 2./3. Dezember 1998) über die Folgen des Einsatzes von Uranmunition in ihrem eigenen Land sprachen. Im Rahmen der US-geführten Militärintervention »Wüstensturm« 1991 gegen die irakische Armee waren rund 300.000 Kilogramm DU-Munition abgefeuert worden. Die Fernstraße, auf der die irakischen Truppen sich aus Kuwait zurückzogen, wurde bekannt als »Autobahn des Todes«. Die Folgen des DU-Einsatzes – Anstieg von Krebserkrankungen, Totgeburten, Fehlbildungen bei Neugeborenen – wurden erst fünf, sechs Jahre später sichtbar.

Auch beim Angriff auf den Irak im Jahr 2003 und der späteren Belagerung und Verwüstung der Stadt Falludscha (April und November 2004) wurden Schätzungen zufolge bis zu 2.000 Tonnen DU-Munition eingesetzt. Der Angriff der US-geführten »Koalition der Willigen« erfolgte ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates.

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