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Aus: Ausgabe vom 29.03.2023, Seite 4 / Inland
Militarismus und Krieg

Deutsche Panzer an die Front

Bundesregierung will Militärhilfen an Ukraine um zwölf Milliarden Euro aufstocken. Erstmals »Leopard«-Kampfpanzer geliefert
Von Nick Brauns
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Auf dem Truppenübungsplatz Munster wurden ukrainische Soldaten am »Leopard 2« ausgebildet (20.2.2023)

Von fanatischen Bellizisten wird gerne ein anderer Eindruck erweckt: Doch die Bundesrepublik steht an zweiter Stelle nach den USA als Waffenlieferant in dem mit ukrainischem Blut ausgetragenen NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland. Und die Bundesregierung plant, die Militärhilfe für Kiew von den bislang seit Kriegsbeginn freigegebenen drei Milliarden auf 15 Milliarden Euro stark zu erhöhen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages werde entsprechende Vorlagen aus dem Bundesfinanzministerium in seiner Sitzung am Mittwoch billigen, wie die Nachrichtenagentur AFP am Dienstag aus dem Ausschuss erfuhr.

Gerechtfertigt wird diese Summe in einem am Montag zuerst vom Spiegel zitierten internen Bericht des Finanzministeriums mit »hohen materiellen Verlusten der ukrainischen Streitkräfte«. Für die »bedarfsgerechte nachhaltige Ausstattung« der ukrainischen Armee gelte es unverzüglich, zahlreiche Beschaffungsverträge, insbesondere in den Bereichen »Luftverteidigung, gepanzerte Kettenfahrzeuge, Munitionsversorgung für die von Deutschland gelieferten Waffensysteme und Artillerie«, abzuschließen. Die Mehrausgaben seien »sachlich unabweisbar«, andernfalls bestünde »die schwerwiegende Gefahr, dass die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Aggressor unterliegt, mit unvorhersehbaren Konsequenzen für die europäische Friedensordnung«. So begründet das FDP-geführte Ministerium dieses auf die nächsten Jahre ausgelegte Konjunkturprogramm für die deutschen Rüstungsschmieden.

Die Bundesrepublik hat der Ukraine zu Wochenbeginn erstmals Kampfpanzer geliefert. »Heute sind die 18 Leopard 2 A6 inklusive Munitions- und Ersatzteilpaketen sowie zwei Bergepanzer ›Büffel‹ mit ihren in Deutschland ausgebildeten Besatzungen bei der Truppe in der Ukraine angekommen«, teilte das Bundesministerium der Verteidigung am Montag mit. Das sind vier »Leopard 2« mehr als ursprünglich geplant, um gemeinsam mit Panzern aus Schweden und Portugal einen Gefechtsverband zu bilden.

Zwar äußert sich die Bundesregierung aus Sicherheitsgründen nicht darüber, auf welchem Weg die Panzer von Deutschland in die Ukraine gelangt sind. Doch dürfte dies per Bahntransport über Polen geschehen sein. »Unsere Panzer sind wie versprochen pünktlich in den Händen unserer ukrainischen Freunde angekommen«, erklärte Verteidigungsminister Boris Pistorius am Montag zu den »Leopard 2«-Panzern. Der Sozialdemokrat zeigte sich überzeugt davon, dass die deutschen Kampfpanzer »an der Front Entscheidendes leisten können«. Gegenüber dem von der russischen Armee vielfach eingesetzten »T-72«-Kampfpanzer hat der »Leopard 2« den Vorteil einer stabilisierten Waffenanlage, so dass während der Fahrt Ziele beschossen werden können. Das russische Modell muss dagegen für einen gezielten Schuss zuerst stoppen.

Kürzlich bereits in der Ukraine eingetroffen sind nach Angaben des dortigen Verteidigungsministeriums 40 ältere deutsche Schützenpanzer des Typs »Marder«. Ab Sommer sollen von der Bundeswehr bereits vor zwanzig Jahren ausgemusterte »Leopard 1 A5« Kampfpanzer geliefert werden, die derzeit kampftauglich gemacht werden. Die Ukraine ist aktuell dabei, mit Hilfe ihrer NATO-Unterstützer eine große Panzerflotte für eine Offensive gegen die russischen Truppen zusammenzustellen. So lobte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow am Dienstag die kürzlich aus Großbritannien eingetroffenen schweren »Challanger 2«-Kampfpanzer auf Twitter als »fantastische Maschinen«, die »bald mit ihren Kampfeinsätzen beginnen.«

Allerdings liegen zwischen der polnischen Westgrenze und dem umkämpften Donbass rund 1.200 Kilometer mit teils zerstörter Infrastruktur wie Brücken. Auch wenn der Transport mit der Bahn effektiver ist, birgt er das Risiko, dass bei einem gezielten Raketenangriff gleich mehrere der teuren Kampfgeräte verloren gehen. Von daher bietet sich der Einzeltransport auf Sattelschleppern an die Front an.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (29. März 2023 um 12:59 Uhr)
    Eine neutrale Diplomatie wäre nötig, um den Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu beenden, nicht zusätzliche noch gestückelte Waffenlieferungen an die Ukraine. Der westliche Diskurs über »Friedensfragen« konzentriert sich auf die Lokalisierung von Konflikten auf nur ukrainischem Gebiet! Die westliche militärische Unterstützung ist ein wichtiger Teil ihres Narrativen, weil sie entscheidend für die Fähigkeit der Ukraine ist, langfristige Kriegsanstrengungen gegen Russland aufrechtzuerhalten. Klar ist, dass die westliche, ukrainische und russische Seite die Spieltheorie nutzen, um über ihre nächsten Schritte zu entscheiden, wobei der Konflikt zu einem Nullsummenspiel tendiert. Das macht es viel schwieriger, Friedensbemühungen zu initiieren, da die Akzeptanz solcher Bemühungen auf beiden Seiten als Verlust für sie und als Gewinn für die andere Seite angesehen werden könnte. Das macht es viel schwieriger, mögliche Züge und Ergebnisse zu berechnen. Die Friedensbemühungen können nicht von westlichen Institutionen geleitet werden, die derzeit daran beteiligt sind, das ukrainische Narrativ aufzubauen und der Ukraine dabei zu helfen, die Herzen und Köpfe der Weltöffentlichkeit zu gewinnen. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, dass nicht-westliche Denkfabriken die Bemühungen um Friedenssicherung und Unterstützung der Stabilität in Europa anführen. Der Krieg in der Ukraine hat internationale Auswirkungen. Daher wäre es mehr als logisch, dass nicht-westliche Institutionen daran verpflichtet sein könnten, ihre Dienste für die Organisation diplomatischer Aktivitäten einzubeziehen, um die wirtschaftlichen Kosten und das menschliche Leid eines langwierigen Krieges auf europäischem Boden zu vermeiden. Leider kann oder darf der »Wertewesten« noch nicht so weit denken!
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (29. März 2023 um 10:03 Uhr)
    »’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel, wehre / und rede du darein! / ’s ist leider Krieg – und ich begehre / nicht schuld daran zu sein!« (Matthias Claudius, 1740-1815)
  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (28. März 2023 um 23:18 Uhr)
    Mir ist es schleierhaft, wie all die Waffenflut der westlichen »Wertestaaten«, allen voran die der USA sowie Deutschlands, ziemlich ungehindert in die Ukraine einrollen kann. Unverständlich ist mir zudem, warum Russland nicht seine Truppen aufstockt, wo doch klar ersichtlich ist, dass die westlich-imperialistischen Staaten auf Biegen und Brechen Russland in die Knie zwingen wollen, wie dies einst 1941 vorgesehen war.
    • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (29. März 2023 um 11:40 Uhr)
      Ich habe von Miltär keine Ahnung. Folgendes sind nur meine laienhaften Vermutungen, was sich Militärs bei ihren Planungen so denken: Die Waffen und Panzer werden getarnt auf der Straße transportiert. Ich denke mir aber, dass es sinnlos ist, mit teuren Raketen auf Verdacht einzelne Transporte zu beschießen. Auch Russland muss Munition sparen. Sinnvoller ist es dann, wenn die Panzer sie in Masse konzentriert und offen in der Gruppe angreifen ohne Tarnung. Bahntransporte werden angegriffen. Generell: Der Westen will, dass sich Russland mit diesem Krieg total verausgabt, bevor er selbst dann wesentlich umfangreicher als jetzt einmarschiert. Die Russen sollen verfrüht ermüden, sie ausgeruht in den Kampf ziehen. Zu dem Zeitpunkt sollen die Russen dann nicht mehr viel haben. Die Russen unterlaufen dies, weil sie wissen, dass die Zeit auf ihrer Seite ist, nicht auf Seiten der Ukraine. Im Mittelalter kostete es dreimal so viel Kraft und Personal, eine Burg oder Festung anzugreifen, als sie zu verteidigen. Russland begnügt sich scheinbar im Augenblick damit, zum großen Teil diesen Rat zu befolgen und die Gegenseite sich in sinnlosen Angriffen, die regelmäßig zurückgeschlagen werden, verausgaben zu lassen, was ursprünglich mit den Sanktionen (»Russland ruinieren«) ja für Russland so gedacht war. Partiell greifen die Russen natürlich auch an. 150.000 zusätzlich eingezogene Wehrpflichtige werden nur teilweise eingesetzt und seit einem halben Jahr weiter trainiert. Die Ukraine dagegen wirft schon über 60jährige nach einem Schnellkurs von einer Woche an die Front. Was jedoch meist vergessen wird: Es sind nicht nur Russen. Die Hälfte der momentan eingesetzten Truppen kommen aus dem Donbass selbst, sind also nach westlicher Lesart Ostukrainer, welche gegen Westukrainer kämpfen. Doch komisch, da gehört der Donbass dann auf einmal komplett zu Russland, wenn man verschleiern will, dass es ein Bürgerkrieg ist.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (28. März 2023 um 21:52 Uhr)
    »In den Händen unserer ukrainischen Freunde angekommen« ist seitens der NATO und auch Deutschlands seit 2014 einiges an Bewaffnung, Ausrüstung und militärischem Training, mit dem ebenso lange die Zivilbevölkerung im Donbass terrorisiert wurde – und nach wie vor terrorisiert wird – und zwar bereits Jahre vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine. Damit unterstützte Deutschland militärisch, wirtschaftlich und politisch seit 2014 einen Angreifer, nämlich die Westukraine gegen die Ostukraine. Die Solidarität der deutschen Regierung und Bevölkerung gilt diesem Angreifer von 2014. Der Bürgerkrieg in der Ukraine wurde seitens der USA, also »unseren Freunden«, mit dem Regierungsputsch in Kiew losgetreten, nicht von Russland. Das Ganze bezeichnet ein Bundesminister als »Friedensordnung«, die in Gefahr sei, wenn Russland den Krieg gewinnen würde, ein Russland, welches seit 30 Jahren im Gegensatz zu unseren »amerikanischen Freunden« alle Truppen aus Mitteleuropa freiwillig abgezogen hat, nachdem dort von 1945 bis 1998 mit (!) dieser russischen Truppenstationierung die längste Friedensperiode seit Jahrhunderten in diesem Gebiet geherrscht hatte. Diese tatsächliche, reale Friedensordnung ging zu Ende, als die russischen Truppen aus Europa abgezogen waren und Lügner und Faktenverdreher in Deutschland Gelegenheit erhielten, gemeinsam mit anderen NATO-Staaten Jugoslawien zu überfallen. Russland war zu schwach, Serbien zu helfen. Andernfalls hätten es sich die Angreifer der NATO vielleicht überlegt. Falls dieses westliche »Friedensbündnis« nun auch diesen Krieg gewinnt, hat man in Russland etliche historische Erfahrungen, was dann folgt. Erster Weltkrieg, Bürgerkrieg nach der Oktoberrevolution, Zweiter Weltkrieg – immer war es ein Staatenbündnis aus dem Westen, welches Mord und Totschlag nach Russland brachte. Seit Napoleon marschierten stets deutsche Truppen zuerst in Russland ein, nicht russische Truppen zuerst in Deutschland. Das sind die Fakten.

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