In der grausamsten Phase
Von Volker Hermsdorf
Es war das wohl politischste Treffen der vergangenen Jahre: Am Sonnabend endete der 28. Iberoamerikanische Gipfel mit Verabschiedung der »Erklärung von Santo Domingo« – einem Vierjahresplan für die Zusammenarbeit in der Region bis 2026 – und einem Kommuniqué, in dem ein »gerechteres, inklusiveres und flexibleres internationales Finanzsystem« gefordert wird. Beherrscht wurde die Debatte von Forderungen nach Integration und sozialer Gerechtigkeit, Lösungen für die Klima-, Migrations- und Ungleichheitskrise, die Situation in Haiti, dem Krieg in der Ukraine sowie den Wirtschaftsblockaden gegen Kuba, Venezuela und Nicaragua. Dazu ausgetauscht hatten sich die Staats- und Regierungschefs der 22 teilnehmenden Länder aus Lateinamerika sowie Vertreter aus Andorra, Portugal und Spanien.
Der gastgebende dominikanische Präsident Luis Abinader wertete die trotz unterschiedlicher Positionen einzelner Länder erreichten Vereinbarungen als Erfolg. Das Kooperationsprogramm für die nächsten vier Jahre umfasse mehr als 350 Projekte in den Bereichen Energie, Bildung, Gesundheit, Umweltschutz, Ernährungssicherheit und digitale Transformation, hob Abinader hervor. Angesichts der globalen Krise, so Argentiniens Präsident Alberto Fernández, müssten sich die iberoamerikanischen Länder zusammenschließen, um die gemeinsamen Herausforderungen zu bewältigen und um eine neue Beziehung zu den Zentren des Finanzkapitals aufzubauen. Zu den beim Treffen beschriebenen Problemen gehört, dass mehr als 32 Prozent der 662 Millionen Einwohner Lateinamerikas und der Karibik in Armut leben und in der Region, die der größte Nettoexporteur von Nahrungsmitteln ist, 57 Millionen Menschen an Hunger leiden. Daran werde sich nichts ändern, solange »die Banken weiter Anweisungen des Internationalen Währungsfonds unterworfen sind, der Handel frei und nicht fair sein soll und Wissenschaft und Forschung weiter als Geschäft betrachtet werden«, analysierte die kubanische Delegation die Ursachen.
Folgerichtig rief Boliviens Präsident Luis Arce dazu auf, »die ungerechte internationale Ordnung, die auf der Grundlage eines krisengeschüttelten kapitalistischen Modells nur Krisen, Instabilität, Turbulenzen und Ungewissheit unter unseren Völkern hervorgebracht hat«, zu verwerfen. Im dritten Jahrtausend müssen wir »neue Blöcke und neue Bündnisse bilden, neue Formen der Beziehungen zwischen den Völkern«, so Arce. Die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro, argumentierte ähnlich. »Der Kapitalismus führt in seiner grausamsten Phase des Neoliberalismus zu Protestbewegungen von Völkern, die das Schicksal der Ausbeutung und des Elends, dem sie ausgesetzt sind, nicht mehr akzeptieren«, sagte sie. Castro warnte, dass »eine Kriegsmaschinerie die gesamte Menschheit mit einer apokalyptischen Katastrophe« bedrohe, und bezeichnete die Möglichkeit eines globalen Krieges als größte Gefahr für die Zivilisation und die Menschheit seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
Auch Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa verwies darauf, dass »der Krieg in der Ukraine nicht europäisch, sondern global ist«, da alle Weltmächte involviert sind und die sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Folgen den gesamten Planeten treffen. Die Außenministerin Andorras, Maria Ubach i Font, forderte deshalb, dass der Krieg »so schnell wie möglich durch Dialog und die Anwendung der Charta der Vereinten Nationen eine friedliche Lösung finden« müsse.
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