Sunak bekommt Atempause
Von Dieter Reinisch, Belfast
Trotz der Klatsche bei der Abstimmung im Londoner Unterhaus wollen die nordirischen Unionisten weiter das sogenannte Windsor-Abkommen bekämpfen. Am Mittwoch hatte eine parteiübergreifende überwältigende Mehrheit dieser im Februar ausgehandelten Vereinbarung zwischen Großbritannien und der Europäischen Union zugestimmt. Es soll das ungeliebte »Nordirland-Protokoll« ersetzen, durch das die nordirische Provinz nach dem »Brexit« Teil des EU-Binnenmarkts bleiben sollte, was Waren- und Zollkontrollen innerhalb der Irischen See notwendig gemacht hätte. Am Freitag nachmittag wurde das Abkommen in London gemeinsam mit dem aus Brüssel angereisten EU-Kommissionvize Maros Sefcovic unterzeichnet.
Das neue Abkommen wird nun den Großteil der Warenkontrollen beseitigen: Nur noch Güter, die von Großbritannien über Nordirland weiter in die EU eingeführt werden, sollen kontrolliert werden. Dennoch ist das den Unionisten zu wenig. Denn sie nutzen den »Brexit« als Vorwand, um die Arbeit des Regionalparlaments Stormont zu blockieren. Seit dem Wahlsieg der republikanischen Partei Sinn Féin vergangenen Mai steht dieser der Regierungsposten zu.
Die Hoffnung, durch einen Aufstand innerhalb der britischen Tory-Partei dem »Windsor-Abkommen« im Londoner Unterhaus Probleme zu bereiten, scheiterte. Neben der Democratic Unionist Party (DUP) stimmten nur 22 treue Anhänger von Expremier Boris Johnson und ein walisischer Abgeordneter dagegen. Ein Scheitern war ohnehin von Beginn an ausgeschlossen, denn Oppositionsführer Keir Starmer hatte zugesichert, dass Labour der Regierung die nötigen Stimmen bringen würde. Die überwältigende Annahme war dann aber doch überraschend. Für den jetzigen Premier Rishi Sunak ein wichtiger Sieg, denn es ist das erste politische Vorhaben seiner bisher für ihn schlecht verlaufenen Amtszeit, das er erfolgreich durchbringen konnte. Und es verschafft ihm eine Atempause bis Anfang Mai: Verlieren die Konservativen, wie zu erwarten ist, die dann angesetzten Regionalwahlen, wird die Debatte um seine Ablöse von neuem beginnen.
Das Ergebnis zeigt deutlich, wie sehr die DUP in London isoliert ist. Das hat bei den Unionisten aber offenbar kein Einlenken bewirkt. Als das »Windsor-Abkommen« unterzeichnet wurde, richteten sie aus Belfast aus: Ein solches internationales Abkommen würde regelmäßig ersetzt werden, wenn es sich als »nicht zweckmäßig« erweise. Gegenüber der Tageszeitung News Letter sagte der DUP-Abgeordnete für Derry, Gregory Campbell, der britische Außenminister James Cleverly müsse sich mit den DUP-Forderungen abfinden: »Er posaunt, dass der ›Windsor-Deal‹ (…) internationales Recht wird, als ob dies etwas ändern würde. Wie viele Vereinbarungen und Deals sind zu ›internationalem Recht‹ geworden, nur um dann wieder ersetzt zu werden?« Eine Rückkehr in den Stormont werde es für seine Partei weiterhin nicht geben.
Sunak scheint die DUP-Haltung nicht weiter zu tangieren. Er konnte die kleine Tories-Rebellion für eine kurze Weile abwehren, und Nordirland wird wieder von seiner Agenda verschwinden. Eine Lösung für die dort lebenden Menschen gibt es weiterhin nicht.
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