Habeck, China und der Hamburger Hafen
Von Alexander Reich
Die mehrheitlich landeseigene HHLA, Betreiber des Hamburger Hafens, rechnet in diesem Jahr mit einem deutlichen Gewinnrückgang. Der Druck auf die Lieferketten lässt nach, Lagergebühren für Container sinken. Konzernchefin Angela Titzrath geht für 2023 von einem Reingewinn (Ebit) zwischen 160 und 190 Millionen Euro aus, wie sie am Donnerstag bei der Präsentation der Bilanz 2022 erklärte.
Das wären 30 bis 60 Millionen Euro weniger als 2022. Auch da war der Gewinn im Vergleich zum Vorjahr schon leicht gesunken, um acht Millionen Euro. Und während 2021 noch 6,943 Millionen Standardcontainer abgefertigt wurden, waren es 2022 noch 6,396 Millionen. Ein Rückgang um 7,9 Prozent und weit entfernt von dem 25-Millionen-Ziel, das in besseren Zeiten für 2025 angepeilt worden war.
Um wieder etwas mehr Wasser unter den Kiel zu bekommen, hat die HHLA vor einiger Zeit den chinesischen Konzern Cosco Shipping Ports Ltd. ins Boot geholt. Zumindest wurde ein Einstieg von Cosco beim Containerterminal Tollerort vereinbart. Womit wohl auch Titzrath nicht rechnen konnte, war die Blockade des Bundeswirtschaftsministeriums, die Dienstherr Robert Habeck seit dem Herbst auch gegen das Kanzleramt aufrechterhält. »Wir warten seit nunmehr 18 Monaten auf die finale Genehmigung der Transaktion durch das Bundeswirtschaftsministerium«, sagte die HHLA-Vorstandschefin am Donnerstag genervt. »Eine zügige Rückmeldung durch das Ministerium« sei das Mindeste. Alle Auflagen seien in den Verträgen mit Cosco erfüllt. »Wir glauben, dass wir alle Fragen beantworten haben.«
Zur Bedeutung des Cosco-Einstiegs erklärt die HHLA in einem »Faktencheck« für Interessierte, es sei für die Positionierung im Wettbewerb der Nordseehäfen »entscheidend, Ladungsmengen zu sichern. Jeder dritte Container, der in Hamburg umgeschlagen wird, kommt oder geht nach China. Cosco ist seit 40 Jahren ein verlässlicher Geschäftspartner der HHLA. Diese Kundenbeziehung zu sichern und zu stärken, liegt im Interesse der HHLA, des Standorts Hamburg sowie der Industrienation Deutschland.«
Im Oktober hatte die Bundesregierung statt der paraphierten 35-Prozent-Beteiligung nur eine in Höhe von maximal 24,9 Prozent erlaubt, um mögliche Sonder- und Vetorechte zu unterbinden. Wie lange die Verträge nun im Hause Habeck noch geprüft werden, ist unklar. Das Ministerium teilt auf Nachfrage immer nur wieder mit, die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen. Wie WDR und NDR Anfang der Woche mitteilten, hat dieser Umgang mit Anträgen auf chinesische Direktinvestitionen System. Aktuell unterzieht das Ministerium demnach zehn solcher Anträge einem »vertieften Prüfverfahren«. Zum Hintergrund gehören die Arbeiten an einem Gesetz zum Schutz »Kritischer Infrastruktur«, zu der das Hamburger Containerterminal bislang nicht gezählt wird. Das soll sich ändern.
Was den Abwehrkampf der Grünen gegen die ursprünglich 65, nunmehr noch 46 Millionen Euro von Cosco »ein bisschen aufgesetzt« wirken lässt, wie Burkard Ilschner in dieser Zeitung am 4. November 2022 treffend feststellte, ist die Tatsache, dass der chinesische Konzern beim »Aufbau eines globalen Terminalnetzwerks« erste Schritte gemacht hat. An 16 Häfen außerhalb Chinas ist er mittlerweile beteiligt, darunter acht in Europa und auch der in Rotterdam, wo mehr als doppelt so viele Container umgeschlagen werden wie in Hamburg. Am drittgrößten Nordseekonkurrenten Zeebrügge hält Cosco 90 Prozent, in Piräus sind es seit großem Druck der Brüsseler Troika 100 Prozent.
Mutmaßlich kann Cosco auf den Hamburger Hafen also viel besser verzichten als andersherum. Die HHLA will den Umsatz im Kerngeschäft nur halten, nicht mehr, sieht aber auch dabei »viele Unsicherheiten«, wie CEO Titzrath am Donnerstag sagte, bevor sie die Bundesregierung aufforderte, sich ihrer »Verantwortung für den Hamburger Hafen bewusst« zu werden.
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