Nur einmal wird es knapp
Von Gabriel Kuhn
In der vergangenen Woche fand das Weltcupfinale der alpinen Skiläufer statt. Schauplatz war Soldeu in Andorra. Kleinstaaten haben im alpinen Skilauf etwas zu melden, Liechtenstein stellte mit dem Geschwisterpaar Andreas und Hanni Wenzel sogar Weltcupgesamtsieger.
Die Spannung während des diesjährigen Weltcupfinales hielt sich in Grenzen. Im Gesamtweltcup hatten sich die Sieger des Vorjahres, der Schweizer Marco Odermatt und die US-Amerikanerin Mikaela Shiffrin, die Titelverteidigung bereits im Vorfeld gesichert. Shiffrins Vorsprung auf die Zweite, die Slowakin Petra Vlhova, betrug rund 1.000 Punkte.
Um der Skiwelt trotzdem etwas zu bieten, machten sich die beiden auf Rekordjagd. Mit seinem Sieg beim Riesenslalom in Soldeu am Sonnabend knackte Odermatt die 2.000-Punkte-Marke und erreichte mit 2.042 mehr als jeder Gesamtweltcupsieger der Herren bisher. An Shiffrin kam er damit trotzdem nicht heran. Mit 2.206 Punkten überbot sie ihren bisherigen Rekord aus der Saison 2018/19 um ganze zwei Punkte. Unerreicht bleiben die 2.414 Punkte der Slowenin Tina Maze aus der Saison 2012/13.
Auch was Siege in Einzelrennen betrifft, geizten Odermatt und Shiffrin nicht mit Bestmarken. Mit 13 Saisonsiegen teilt sich Odermatt den Rekord bei den Herren nun mit den Skilegenden Ingemar Stenmark (Schweden), Hermann Maier und Marcel Hirscher (beide Österreich). Shiffrin gewann heuer 14mal, Rekord ist das bei den Damen aber trotzdem nicht, ihre eigene Bestmarke liegt bei 17 Siegen aus der Saison 2018/19. Dafür ist sie seit dem Weltcupfinale, bei dem sie den abschließenden Riesenslalom am Sonntag gewann, mit 21 Riesenslalomsiegen im Weltcup genauso einsame Spitzenreiterin wie mit 138 Podestplätzen.
Den wichtigsten Rekord schlug Shiffrin freilich schon vor dem Weltcupfinale. Ausgerechnet im schwedischen Åre feierte sie am 11. März ihren 87. Sieg in einem Weltcuprennen, womit sie den über 30 Jahre alten Rekord Ingemar Stenmarks pulverisierte. Mit ihrem Riesenslalomerfolg in Soldeu steht sie nun bei 88 Siegen. Nur bei den Podestplätzen ist ihr Stenmark mit 155 immer noch voraus.
Sechs der acht Weltcupspezialwertungen waren vor dem Finale in Soldeu ebenfalls schon vergeben. Bei den Herren hatte sich Marco Odermatt die kleinen Kristallkugeln im Riesenslalom und Super-G gesichert, der Norweger Aleksander Aamodt Kilde dominierte in der Abfahrt. Packend war das Norwegerduell im Slalom. Im allerletzten Saisonrennen setzte sich der Jungspund Lucas Braathen gegen den Routinier Henrik Kristoffersen durch.
Bei den Damen hatte Shiffrin die Kugeln im Slalom und Riesenslalom eingetütet, in der Abfahrt hatte die Italienerin Sofia Goggia alles klargemacht. Nur im Super-G wurde es knapp, nicht weniger als fünf Läuferinnen hatten hier noch die Chance auf Kristall. Das Rennen machte die Schweizerin Lara Gut-Behrami, die mit ihrem Sieg noch an der Italienerin Elena Curtoni vorbeizog.
Für den Deutschen Skiverband (DSV) brachten die Rennen in Soldeu nach einer durchwachsenen Saison einen versöhnlichen Abschluss. Die Speedfahrer Romed Baumann (WSV Kiefersfelden) und Andreas Sander (SG Ennepetal) belegten mit den Rängen zwei und drei die ersten Podestplätze in der Herrenabfahrt in diesem Winter. Im Slalom der Damen erreichte Jessica Hilzinger (SC Oberstdorf) mit Rang sechs ihre bisher beste Weltcupplazierung überhaupt. Nur ganz knapp hatte sie sich für das Weltcupfinale qualifiziert, bei dem die besten 25 der Einzelwertungen antreten dürfen. Für Lena Dürr, das DSV-Aushängeschild bei den Alpinen in dieser Saison, blieb zum Abschluss nur Platz 14. In der Slalomwertung belegte sie trotzdem Rang vier. Viermal stand sie auf dem Podest, im zweiten Slalom von Spindleruv Mlyn reichte es gar für den Sieg. Bei der WM in Courchevel/Méribel gewann sie zudem die Bronzemedaille.
Es gibt gute Chancen, dass die von Odermatt und Shiffrin aufgestellten Rekorde eine Ewigkeit halten werden. Der alpine Skisport befindet sich in einer tiefen Krise, seine Zukunft ist alles andere als gesichert. Acht der ersten neun Saisonrennen mussten heuer wetterbedingt abgesagt werden, viele nationale Verbände, darunter auch der DSV, liegen im Clinch mit dem internationalen Skiverband FIS und dessen Präsidenten Johan Eliasch, und bei der alpinen Ski-WM in Courchevel/Méribel präsentierte der österreichische Speedfahrer Julian Schütter einen offenen Brief an die FIS, der entscheidende Schritte in Richtung Nachhaltigkeit einfordert. Die prominenteste Unterzeichnerin des Schreibens: Rekordhalterin Mikaela Shiffrin.
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