Arbeiterfeindin Meloni zu Gast
Von Gerhard Feldbauer
In der Hafenstadt Rimini ist am Sonnabend der XIX. Kongress der mit rund 5,7 Millionen Mitgliedern stärksten italienischen Gewerkschaft Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL) mit der Wiederwahl Maurizio Landinis zum Generalsekretär zu Ende gegangen. Vier Tage berieten 886 Delegierte unter dem Motto »Arbeit schafft Zukunft«, wie der Kampf gegen soziale Unterdrückung und Ausbeutung sowie für Gleichheit und Gerechtigkeit der arbeitenden Menschen zu verstärken ist.
Auf scharfe Proteste stieß, dass der Generalsekretär die Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eingeladen hatte, die dort ihre arbeiterfeindliche neoliberale Politik propagieren konnte. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur ANSA biederte sich Landini dann noch mit folgender Erklärung an: »Wir respektieren das Ergebnis der Abstimmung (bei der Parlamentswahl am 25. September 2022), mit der die Regierung des Landes der Rechten anvertraut wurde«. Wie das linke Manifesto berichtete, wurde Meloni vor dem Eingang zum Palacongressi in Rimini von Protestierenden mit Buhrufen erwartet, die Transparente zeigten, auf denen Parolen wie »Meloni: nicht in unserem Namen« und – bezugnehmend auf das Ende Februar gekenterte Flüchtlingsboot – »Cutro: ein staatliches Massaker« zu lesen waren. Als sie im Saal eintraf, verließen die Delegierten der Metallarbeiter in der FIOM-CGIL und weitere – das Partisanenlied »Bella Ciao« singend – mit erhobener Faust den Saal. Die Verbliebenen verharrten laut Medienberichten während ihrer Rede, in der sie das gesamte Repertoire des konservativen Liberalismus vortrug, in eisiger Kälte. Bei der Ablehnung des Mindestlohns habe sie »vor einer Mauer« gestanden.
Wie Collettiva, das Mitteilungsblatt der CGIL, informierte, konzentrierte sich die Debatte auf fünf Prioritäten: höhere Löhne und die Reform des Steuersystems, das Ende der Prekarität und eine Herabsetzung der Arbeitszeit sowie die Unterbindung der Schwarzarbeit und die Garantie der Sicherheit am Arbeitsplatz. Außerdem verständigten die Delegierten sich über den Kampf um Ausbildung, Gesundheitsversorgung und eine Rentenreform sowie die soziale und berufliche Integration von Migranten und den Kampf gegen Armut. Die CGIL will eine Entwicklungs- und Industriepolitik durchsetzen, die vom Süden mithilfe öffentlicher Interventionen ausgeht, um die Digitalisierung und das neue Umweltparadigma zu einer echten Chance für das Land zu machen.
Die als »linke Hoffnung« gefeierte neue Sekretärin des sozialdemokratischen PD, Elena Schlein, hatte es auf dem Gewerkschaftstag offenbar leicht. Als regelrechter Star der Gewerkschaftsversammlung wurde sie gefeiert, als sie versicherte: »Wir werden für einen Mindestlohn kämpfen, weil es mehr als drei Millionen Beschäftigte gibt, die trotz Arbeit arm sind.« Ihr Appell an die Opposition, gemeinsam dafür den Kampf zu führen, schien auf Zustimmung zu stoßen. Zumindest trafen die Leiter von M5S, Giuseppe Conte, Dritter Pol, Carlo Calenda, und Sinistra Italiana, Nicola Fratoianni, später mit ihr und Landini zusammen.
Landini appellierte an die auf dem Kongress anwesenden Chefs der Unione Italiana del Lavoro (UIL) und der Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori (CISL), Pierpaolo Bombardieri und Luigi Sbarra. Die anderen beiden großen Gewerkschaften (die nach eigenen Angaben je etwa zwei Millionen Mitglieder haben) sollten in den nächsten Tagen ebenso »Versammlungen am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit organisieren«, um »Prekarität zu überwinden«. In seinem Schlusswort erklärte Landini die Streikbereitschaft seiner Organisation, um ihre Forderungen durchzusetzen.
Das linke Magazin Contropiano resümierte auf seinem Onlineportal, der Kongress habe gezeigt, dass die 1944 im Kampf gegen die faschistische Besatzungsmacht der Hitler-Wehrmacht als revolutionäre Massenorganisation vor allem der Kommunisten (55,8 Prozent waren Mitglieder oder Anhänger, Sozialisten waren 22,6 Prozent der Mitglieder, 13,4 Prozent waren Christdemokraten) gebildete CGIL nicht mehr existiere.
Als Gewerkschafter geplante CIA-Agenten förderten seit Ende des zweiten Weltkriegs antikommunistische Tendenzen innerhalb der CGIL, die schließlich bis 1950 zur Gründung von UIL und CISL führten. Die Gewerkschaftseinheit war damit zerschlagen. Die UIL entwickelte sich zu einer katholisch beeinflussten Organisation, die CISL wurde zunächst von Sozialdemokraten und später vor allem von den Sozialisten dominiert. Neben der CISL und UIL hat sich seit den 90er Jahren auch die CGIL zunehmend der Sozialpaktstrategie mit dem Kapital untergeordnet.
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