Kein Platz mehr
Von Nico Popp
Die Führungsspitze der Partei Die Linke erhöht den Druck auf die Bundestagsabgeordnete und ehemalige Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Koparteichef Martin Schirdewan sagte am Montag in Berlin, sie müsse sich »jetzt eindeutig von ihrer Idee der Gründung einer Konkurrenzpartei distanzieren, sonst muss sie die entsprechenden Konsequenzen ziehen«. Das sei »ein Gebot des Anstandes«. Er persönlich sei »wirklich stinksauer über diese fortgesetzten Ankündigungen über eine Parteineugründung«. Das sei »einfach verantwortungslos«, »parteischädigend« sowie »respektlos« und müsse »sofort beendet werden«. Es gehe nicht, dass »die Ressourcen von Partei und der Fraktion für die Planspiele zur Gründung einer Konkurrenzpartei genutzt werden«. Das sei auch mit der Ausübung eines Mandates für die Partei nicht vereinbar; man werde derlei nicht zulassen.
Wagenknecht hatte zuvor in einem am Sonnabend im Nachrichtenportal des ZDF veröffentlichten Interview erklärt, bis zum Ende des Jahres eine Entscheidung darüber treffen zu wollen, ob sie die Linkspartei verlässt und eine neue Partei gründet. Sie gehe »davon aus, dass innerhalb des nächsten Dreivierteljahres die Entscheidungen fallen«. Sie verwies auf Herausforderungen und Fallstricke eines solchen Projekts und betonte, dass so etwas nicht als »One-Woman-Show« funktionieren könne. Erneut ließ sie keinen Zweifel daran, dass sie mit dem derzeitigen Parteivorstand nichts mehr anfangen kann: Dieser fahre einen Kurs, der »mit meiner Vorstellung vernünftiger linker Politik kaum noch etwas zu tun hat«; er könne sich dabei »auf eine klare Mehrheit unter den Funktionsträgern der Partei stützen«. Kürzlich hatte Wagenknecht bereits ausgeschlossen, noch einmal für die Linkspartei anzutreten.
Das Interview zog am Wochenende wütende Reaktionen nach sich – vorneweg wie immer die Vertreter der linksliberalen Mandatsträger- und Apparatfraktion, die ihrerseits zielstrebig auf eine Trennung von dem in der Hauptsache sozialdemokratischen Parteiflügel hinarbeitet, für den Wagenknecht spricht. Verbindendes Element nahezu aller Stellungnahmen war die Forderung, Wagenknecht solle nun ihr Bundestagsmandat abgeben. Der ehemalige Parteichef und Bundestagsabgeordnete Bernd Riexinger fasste diese Wortmeldungen am Montag gegenüber dem Portal The Pioneer mit dem Satz zusammen, dass es für Wagenknecht »keinen Platz mehr in Partei und Fraktion geben« dürfe, »sobald es konkrete Schritte zu einer Neugründung gibt«.
Schirdewan und die Kovorsitzende Janine Wissler hatten bereits am Sonnabend in einer Erklärung verlauten lassen, dass sie Wagenknechts Ankündigung, im Verlauf der nächsten Monate über die Bildung einer konkurrierenden Partei zu entscheiden, für »verantwortungslos« halten. Die deutlich schärferen Formulierungen Schirdewans vom Montag signalisieren ein nunmehr offenes Einschwenken der Parteispitze auf die Linie des harten rechten, unter »progressiver« Flagge segelnden Flügels der Partei, der gar kein Geheimnis daraus macht, dass er so oder so den Bruch mit Wagenknecht herbeiführen will.
Deutlich differenzierter hatte sich am Sonntag der ehemalige Fraktionschef Gregor Gysi geäußert. Auch er verlangte im ZDF-Interview von Wagenknecht, die Partei nicht länger zu »quälen« und eine Entscheidung zu treffen. Inhaltlich warf er allerdings dem Vorstand vor, »die Tradition der Linken ein bisschen zu wenig« zu berücksichtigen. Er versuche weiter, zu vermitteln. Gysi bestätigte, dass dem Parteivorstand seit einiger Zeit ein von ihm und Wagenknecht verfasstes Papier vorliegt, zu dem er sich hätte verhalten sollen. Das ist bislang nicht geschehen. Es sei »im Augenblick sehr schwierig, diese Zusammenführung hinzubekommen«.
Unterdessen häufen sich auch die Stimmen, die Wagenknecht offen dazu auffordern, mit der Partei zu brechen. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann warf Wissler und Schirdewan am Wochenende vor, völlig versagt zu haben. Beide führten wie ihre Vorgänger einen »zerstörerischen Kampf gegen Sahra Wagenknecht«. Die Gründung einer neuen Partei sei nur konsequent. »Ich finde, es wird Zeit«, erklärte Zimmermann.
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