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Aus: Ausgabe vom 20.03.2023, Seite 15 / Politisches Buch
Wohnungsnot

Kleine Hoffnungsschimmer

Mietenwahnsinn, Wohnungsnot und Immobilienspekulation: Das Mietenmanifest einer Linkspartei-Abgeordneten
Von Oliver Rast
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Massenprivatisierung kommunaler Wohnungen: Luxus, den sich kaum jemand leisten kann (Düsseldorf, 3.2.2023)

Es braucht bei der Wohnungssuche viel Kondition samt »Vitamin B«. Inserate durchstöbern oder selbst schalten. Aufrufe nach dem Motto »Bitte, wer hat eine neue Bleibe für mich?« im Bekanntenkreis starten oder erneuern. Von Besichtigungstermin zu Besichtigungstermin hetzen, sich die Hacken wundlaufen, in Warteschlangen vor Haustüren hängen, bei Wind und Wetter. Monatelang, eine Geduldsübung. Und: Wieder nichts! Immer wieder! Vor allem für die, die Bezahlbares in Innenstädten suchen. Fast unmöglich. Anders gesagt: Kapitalistische Mangelwirtschaft, bildlich auf dem Wohnungsmarkt.

Adenauersche Prägung

»Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit«, schreibt Caren Lay in ihrer im vergangenen Herbst erschienenen Streitschrift »Wohnopoly« mit dem Untertitel »Wie die Immobilienspekulation das Land spaltet und was wir dagegen tun können«. Der Kampf um Wohnraum ist für die mieten- und baupolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Die Linke also »die neue Klassenfrage«. Friedrich Engels sah seinerzeit in »Zur Wohnungsfrage« (1872/73 u. 1887) in der Wohnungsnot der Arbeiter und eines Teils der Kleinbürger einen der »zahllosen kleineren, sekundären Übelstände« der kapitalistischen Produktionsweise.

Zurück zu Lay: Im rheinischen Kapitalismus Adenauerscher Prägung sei eine Wohnung noch kein Luxusgut gewesen, betont die Autorin. In der DDR sowieso nicht. Aber: »Das Gesicht ganzer Städte wandelt sich, seitdem mit Wohnungen wie mit Waren gehandelt wird.« Dem sei 1990 die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit vorausgegangen, »der eigentliche Sündenfall der deutschen Wohnungspolitik«. Denn das Herzstück war die sogenannte Kostenmiete, keine Marktmiete. Vermieter durften nur das verlangen, »was zur Abbezahlung und zum Unterhalt der Wohnung nötig war«, so Lay. Ein weiteres riesiges Problemfeld: der soziale Wohnungsbau. In den 1980er Jahren hatte es BRD-weit rund vier Millionen Sozialwohnungen gegeben. Aktuell ist es noch ein Viertel. Und der Abwärtstrend hält an, zumal mehr öffentlich finanzierte Wohneinheiten aus der Preisbindung fallen als neu gebaut werden.

Knappheit im Mieterland

Nicht zuletzt haben Massenprivatisierung kommunaler Wohnungen und »Finanzialisierung« der Branche zum Ausverkauf der Städte geführt. Eine Folge: vielerorts gentrifizierte Quartiere und Verdrängung der Alteingesessenen. Maßgebliche Anheizer dieser Entwicklung sind renditegetriebene Immobilienhaie – vorneweg Vonovia. Konzerne, eher Finanzinvestoren als Wohnungsunternehmen. Dazu passt, dass der Immobilien- und Bodenmarkt Lay zufolge ein Paradies für Geldwäsche dubioser Hedgefonds ist. Das alles sei auch ein »Versagen von Mitte-links«, räumt die Abgeordnete ein. Zur Wahrheit gehört auch: Die Lobby der Mieter ist im Vergleich zu jener von Vonovia und Co. schwach. Wohlgemerkt in einem klassischen Mieterland, dessen Eigenheimquote trotz aller Förderprogramme unterhalb der 50-Prozent-Quote liegt. Es stimme zwar, Mietervereine als Rechtsberater hätten sich in den vergangenen Jahren durchaus politisiert, und Kampagnen bewegter Mieter seien ein wichtiger »Hoffnungsschimmer«; dennoch, stellt Lay fest, Verbände und Bewegung fänden oft nicht so recht zueinander.

Bloß, was tun? Einiges, keine Frage. Lay legt dafür ein »Mietenmanifest« auf. Mit zehn Punkten raus aus der Wohnungsmisere, auf »gangbaren Wegen«, wie sie schreibt. Ganz oben auf der Agenda: Mieten deckeln per Gesetz. Wohnen sei schließlich ein Grundrecht, und ein Drittel des Wohnungsmarktes muss darum gemeinnützig sein. Mindestens. Zudem nur logisch, Wohnungen dürfen kein Spekulationsobjekt sein, gehören nicht aufs Parkett. Wie überall, der Schlüssel zum Erfolg ist und bleibt die Organisierung, ohne Druck von unten gehe es halt nicht, »die Macht der Fonds und Konzerne zu brechen«. Kurzum, Wohnungssuchende brauchen Platz, haben Eigenbedarf – und diese kleine Streitschrift. Nicht nur als Zeitvertreib in der Warteschlange bei Besichtigungsterminen. Nein, auch als Handlungsanleitung.

Caren Lay: Wohnopoly. Wie die Immobilienspekulation das Land spaltet und was wir dagegen tun können. Westend, Frankfurt am Main 2022, 208 Seiten, 20 Euro

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