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Aus: Ausgabe vom 15.03.2023, Seite 3 / Schwerpunkt
Machtkampf

Blockbildung gegen China

Ökonomische und vor allem militärische Kooperation: In Tokio sind Südkoreas Präsident und danach der deutsche Kanzler samt Gefolge zu Gast
Von Jörg Kronauer
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Friedensdemonstration gegen Hochrüstung in Japan (Tokio, Dezember 2022)

Sie bringen einen nächsten kräftigen Schub für die weitere Bündnisbildung des Westens gegen China mit sich: die beiden Spitzentreffen, die in den kommenden drei Tagen in Tokio stattfinden. Am Donnerstag trifft zunächst Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol in der japanischen Hauptstadt ein, wo er sich bis Freitag zum intensiven Gespräch mit Ministerpräsident Fumio Kishida aufhält. Am Freitag wiederum brechen Bundeskanzler Olaf Scholz und einige deutsche Minister nach Tokio auf, um dort am Sonnabend die lang geplanten ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen abzuhalten.

Yoons Besuch in Tokio gilt als ein Meilenstein beim Ausbau der Beziehungen zwischen Japan und Südkorea. In den vergangenen Jahren hatte zeitweise heftiger Streit um japanische Verbrechen in Korea während der Besatzungszeit (1910 bis 1945) das Verhältnis zwischen den beiden Ländern stark eingetrübt. Insbesondere ein Urteil des koreanischen Obersten Gerichtshofs, demzufolge japanische Konzerne ehemaligen koreanischen Zwangsarbeitern Entschädigung zahlen müssen, war in Tokio auf erheblichen Protest gestoßen. Die Konsequenz: Die Kooperation der beiden Länder litt empfindlich. Dies wiederum rief heftigen Unmut in den Vereinigten Staaten hervor. Die USA haben rund 50.000 Soldaten in Japan sowie gut 28.500 Soldaten in Südkorea stationiert. Sie wollen beide Länder in ihren eskalierenden Machtkampf gegen China einspannen. Mangelnde Zusammenarbeit zwischen ihren beiden Verbündeten passt nicht in ihr Konzept.

Südkoreas Präsident Yoon, der sein Amt am 10. Mai 2022 mit einer klar proamerikanischen und projapanischen Agenda antrat, hat am Montag vergangener Woche den Knoten zu durchschlagen versucht und die Gründung einer südkoreanischen Stiftung angekündigt, die die Zahlung von Entschädigung für ehemalige Zwangsarbeiter übernehmen soll. Die japanischen Konzerne, die die Zwangsarbeiter einst schuften ließen, wären damit fein raus. Das hat Yoon zwar empörten Protest im eigenen Land, zugleich aber zufriedenen Beifall aus Tokio und aus Washington gebracht. Yoons bevorstehendes Treffen mit Kishida ist das erste eines südkoreanischen Staatschefs mit einem japanischen Ministerpräsidenten seit 2011. Damit sollen die Spannungen der vergangenen Jahre endgültig ad acta gelegt und der Weg für die intensive Kooperation beider Länder bereitet werden, die Washington für seine asiatisch-pazifische Blockbildung gegen China verlangt. Dabei geht es nicht bloß um eine engere wirtschaftliche, sondern auch um eine umfassendere militärische Zusammenarbeit.

Die deutsch-japanischen Regierungskonsultationen folgen im Kern einer ähnlichen Agenda. Sie zielen darauf ab, die bilaterale Kooperation zu intensivieren, um ein Gegengewicht gegen China zu schaffen, und dies ebenfalls nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch. Dass die Bundesrepublik mit Japan enger zusammenzuarbeiten sucht, ist beileibe nicht neu; allerdings kam sie dabei lange nicht vom Fleck. In den vergangenen zehn Jahren wuchsen der bilaterale Handel kaum, die Investitionen nur wenig. Beides bewegt sich zur Zeit bei gerade einmal einem mageren Sechstel des deutsch-chinesischen Vergleichswerts. Auch im militärischen Bereich tat sich lange deutlich weniger, als es sich etwa der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung gewünscht hatte, als er im April 2007 nach Japan reiste, um die Kooperation der Bundeswehr mit den japanischen Streitkräften auszubauen. Über eher sporadische Kontakte kamen die Beziehungen zunächst nicht hinaus.

Erst in den vergangenen zwei Jahren hat Berlin größere Fortschritte erzielt. Vor zwei Jahren, im April 2021, hielten Deutschland und Japan erstmals sogenannte Zwei-plus-zwei-Konsultationen ab. Dabei handelt es sich um gemeinsame Gespräche der Außen- und der Verteidigungsminister beider Länder, die nicht nur die jeweilige Politik aufeinander abzustimmen helfen, sondern auch die Außen- enger mit der Militärpolitik verbinden. Derlei Gespräche führt die Bundesregierung unter anderem auch mit Australien. Im April 2022 brach Olaf Scholz dann erstmals seit seinem Amtsantritt zu einer Asienreise auf. Als Ziel hatte er – symbolisch gewollt – nicht China, sondern Japan ausgewählt. Damals vereinbarten beide Seiten unter anderem auch die Regierungskonsultationen, die am Sonnabend stattfinden und nicht bloß der ökonomischen, sondern auch der militärischen Kooperation einen weiteren Schub verpassen sollen. Scholz nimmt dazu nicht nur die Minister für Wirtschaft und Finanzen, Robert Habeck und Christian Lindner, sondern vor allem auch Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius mit.

Über konkret geplante Ergebnisse schweigt sich Berlin bisher noch aus. Klar ist allerdings, dass die Bundesregierung daran arbeitet, deutsche Unternehmen zur Verlagerung zumindest einiger ihrer Geschäftsaktivitäten aus China nach Japan zu bewegen. Kanzler und Minister haben eine hochrangige Wirtschaftsdelegation im Schlepptau. Worüber Pistorius im Detail verhandeln wird, ist noch nicht bekannt.

Was das erste der beiden Spitzentreffen, den japanisch-südkoreanischen Gipfel, betrifft: Ministerpräsident Kishida hofft, alle Hindernisse für eine künftige engere Zusammenarbeit umfassend ausräumen zu können. Konkret will er Präsident Yoon dann zum G7-Gipfel einladen, der Mitte Mai in Hiroshima stattfinden wird. Läuft alles wie geplant, dann will Kishida am Rand des G7-Gipfels ein Dreiertreffen mit Yoon und US-Präsident Joseph Biden anberaumen: das Format eben, das Washington wünscht, um die gemeinsamen Aktivitäten mit seinen Verbündeten im großen Machtkampf gegen China zu optimieren. Zum Gipfel einladen will Kishida auch Australien, das ebenfalls zu den engsten Verbündeten der USA gegen die Volksrepublik zählt.

Hintergrund: Kriegsübungen

Trotz aller Spannungen, die Japan und Südkorea in den vergangenen Jahren untereinander hatten: Einige gemeinsame Kriegsübungen an der Seite der Vereinigten Staaten haben sie immer wieder durchgeführt. Ein Beispiel sind die »Pacific Dragon«-Manöver, in denen die Streitkräfte der drei Länder alle zwei Jahre gemeinsam Flug- und insbesondere Raketenabwehr proben. Zuletzt nahmen auch Australien und Kanada an dem Manöver teil. Anfang Oktober übten Japan und Südkorea, dieses Mal außer der Reihe, die Raketenabwehr im Japanischen Meer; eine weitere kurzfristig anberaumte Übung folgte im Februar. Den Anlass dazu hatten nordkoreanische Raketentests gegeben, die in Seoul wie auch in Tokio als klare Bedrohung gewertet werden – und die, gleichsam ein Kollateraleffekt, dazu beitragen, die Streitkräfte Japans und Südkoreas ungeachtet aller Differenzen zur Kooperation zu bewegen.

Am 31. Januar vereinbarten – in der Hoffnung, die Spannungen zwischen Seoul und Tokio in naher Zukunft ausräumen zu können – die Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten und Südkoreas, Lloyd Austin und Lee Jong Sup, weitere Schritte zur Stärkung der »trilateralen Sicherheitskooperation«. So beschlossen sie etwa, den Austausch von Daten zur Warnung vor Raketen auszubauen; grundsätzlich hatten sich alle drei Seiten bereits im November 2022 in Phnom Penh darauf geeinigt. Schließlich einigten sich Austin und Lee darauf, so bald wie möglich Dreiergespräche im Rahmen der Defense Trilateral Talks wiederaufzunehmen. Diese hatten ehedem einer engen Abstimmung der Streitkräfte der drei Länder gedient, waren aber aufgrund der japanisch-südkoreanischen Spannungen zuletzt ausgesetzt worden. Es müsse nun endlich wieder darum gehen, »die Sicherheitskooperation zwischen den drei Staaten zu stärken«, teilten Austin und Lee nach ausführlichen Gesprächen in Seoul mit. (jk)

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (15. März 2023 um 05:25 Uhr)
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