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Aus: Ausgabe vom 13.03.2023, Seite 8 / Ansichten

Neue globale Ordnung

Abkommen zwischen Teheran und Riad
Von Wiebke Diehl
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Alle an einem Tisch: Die diplomatische Eiszeit zwischen Riad und Teheran ist nach sieben Jahren beendet (Beijing, 11.3.2023)

Das saudisch-iranische Abkommen über die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen binnen zwei Monaten ist zweifellos ein diplomatisches Meisterstück – seit Jahren aus dem Irak und Oman vorbereitet und am Freitag in Beijing vollzogen. Das Foto der drei hochrangigen Regierungsvertreter wird in die Geschichte eingehen – und zwar vor allem als Symbol für eine sich wandelnde globale Ordnung, in der Washingtons Einfluss signifikant abnimmt. Dass dies auch am jahrzehntelangen Partner Saudi-Arabien nicht spurlos vorübergeht, hätte selbst der hochmütigen US-Regierung spätestens klarwerden müssen, als das Königreich bekundete, der Shanghai-Organisation und der BRICS-Gruppe beitreten zu wollen. Oder im Oktober vergangenen Jahres, als die OPEC plus mit der Stimme Riads beschlossen, die Ölfördermenge zu drosseln, statt sie entsprechend dem Willen Bidens zu erhöhen.

Nein, die US-Regierung kann in einer Entspannung der Beziehungen zwischen den beiden Erzrivalen rein gar nichts Gutes erkennen – auch wenn sich die Sprecherin des Weißen Hauses eilig bemühte, das Gegenteil zu erklären. Denn die Einigung dürfte nicht nur eine Fortführung der mörderischen US-Politik des »Teile und herrsche« in der Region maßgeblich erschweren. Sie könnte auch dazu führen, dass Ölgeschäfte in Yuan – mit Riad und Teheran bereits teilweise Realität – weiter zunehmen, was den US-Dollar schwächen und das anvisierte »Decoupling« von China erschweren dürfte. Deutlich ehrlicher als Washingtons Floskeln ist vor diesem Hintergrund die offen artikulierte Enttäuschung Israels. Dort will man Saudi-Arabien im Rahmen eines »Normalisierungsabkommens« noch fester in das eigene Lager einbinden, insbesondere im politisch-wirtschaftlichen, aber potentiell auch militärischen Konflikt mit Iran. Der Preis Riads dürfte am Freitag erheblich in die Höhe getrieben worden sein, zumal der Deal ein explizites Bekenntnis zur »Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten« enthält.

Die größten Gewinner sind die Menschen im Nahen Osten. Sie dürfen auf eine Entspannung brutaler Stellvertreter- und Regime-Change-Kriege hoffen – wenn auch nur vorsichtig, denn Vertrauen aufzubauen wird dauern und mit US-Störfeuern ist zu rechnen. Aus dem Jemen aber könnte sich Riad tatsächlich zurückziehen: Weil der Krieg nicht zu gewinnen, aber äußerst kostspielig ist, verhandelt man mit den Ansarollah bereits über eine neuerliche Waffenruhe, vielleicht sogar über ein Friedensabkommen. Und zwar entgegen dem Willen Washingtons. Ob ein saudischer Abzug den erhofften Frieden bringt, ist allerdings fraglich. Denn weder die von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützten Separatisten im Süden des Landes noch die von Riad und Washington im Jemen installierten Verbände von Al-Qaida und »Islamischer Staat« fühlen sich an die Verhandlungsergebnisse gebunden.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (13. März 2023 um 11:12 Uhr)
    Es fällt auf, dass die US-Regierung dieses Ergebnis zwar widerwillig »begrüßt« hat, es aber in Washington viele mürrische Stimmen gibt. Sie fühlten sich sogar »zutiefst beunruhigt« über die Rolle Chinas als Friedensvermittler. Es muss betont werden, dass China die Länder des Nahen Ostens dabei unterstützt, an ihrer strategischen Autonomie festzuhalten, ihre Einheit und Zusammenarbeit zu stärken, die Einmischung von außen abzuschütteln und die Zukunft und das Schicksal der Region wirklich in die eigenen Hände zu nehmen. Der saudi-arabisch-iranische Dialog sollte in der Tat als Warnung an die Nahostpolitik der USA dienen, dass der Ansatz, Krisen und Konflikte zu schüren und ein Land gegen ein anderes zu hetzen, niemals die Herzen der Menschen wirklich gewinnen wird. Wenn Washington diesen Weg fortsetzt, wird es nur noch mehr Frustration erleben, nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in anderen Teilen der Welt. Das Abkommen sende eine »sehr starke« symbolische Botschaft. China ist wirklich als strategischer Akteur in der Golfregion angekommen. Die öffentlichkeitswirksame Rolle Chinas bei der iranisch-saudischen Vereinbarung sollte wahrscheinlich den Großmächten, einschließlich der Vereinigten Staaten, die Botschaft übermitteln, dass sich der Dreh- und Angelpunkt für den Nahen Osten verschiebt. Für Teheran kommt das Abkommen zu einem Zeitpunkt, an dem sich die internationale Isolation verschärft und die Unruhen im eigenen Land angesichts der monatelangen Proteste gegen die Regierung zunehmen. Der Iran, der sich in den Atomverhandlungen mit den USA in einer Sackgasse befindet und von der Europäischen Union wegen seiner Waffenexporte nach Russland gemieden wird, hat einen wichtigen diplomatischen Sieg errungen.

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