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Aus: Ausgabe vom 13.03.2023, Seite 7 / Ausland
Diplomatie in Nahost

Erfolg in Beijing

Iran und Saudi-Arabien nehmen Beziehungen wieder auf. Viel Beifall für Chinas Vermittlung. Nur Israel offen bestürzt
Von Knut Mellenthin
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Zufrieden mit dem Erreichten: Mohammed Al-Aiban (Saudi-Arabien), Wang Yi (China) und Ali Schamchani (Iran, v. l. n. r.) am Freitag in Beijing

Nach einer Unterbrechung von sieben Jahren wollen Saudi-Arabien und der Iran ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufnehmen. Das teilten Vertreter der beiden Staaten am Freitag in Beijing mit, nachdem sie dort seit Montag unter chinesischer Vermittlung abschließende Verhandlungen geführt hatten. Die Einrichtung von gegenseitigen Vertretungen und andere praktische Maßnahmen »zur Stärkung der bilateralen Beziehungen« sollen bei Treffen auf Außenministerebene in einem Zeitraum von höchstens zwei Monaten diskutiert und vereinbart werden. Die auch von chinesischer Seite unterzeichnete gemeinsame Bekanntgabe der Einigung enthält ein Bekenntnis zur »Achtung der staatlichen Souveränität« und zur »Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten«. Zwei ältere Abkommen über Sicherheitszusammenarbeit vom April 2001 und über Kooperation auf den Gebieten Wirtschaft, Handel, Investitionen, Technologie, Wissenschaft, Kultur, Sport und Jugend vom Mai 1998 sollen wieder angewendet werden.

Saudi-Arabien hatte die Beziehungen zum Iran einseitig abgebrochen, nachdem am 2. Januar 2016 mehrere tausend Demonstranten seine Botschaft in Teheran gestürmt und teilweise verwüstet hatten. Unmittelbarer Auslöser der Proteste war die Hinrichtung eines bekannten schiitischen Geistlichen und Oppositionsführers. Insgesamt wurden an diesem Tag in Saudi-Arabien 47 politisch motivierte Todesurteile vollstreckt. Das Vorgehen der Demonstranten wurde von der iranischen Regierung sofort scharf verurteilt. Mindestens 100 Beteiligte wurden verhaftet und einige von ihnen später vor Gericht gestellt.

Von iranischer Seite wurde, auch wenn es ständig scharfe Konflikte zwischen beiden Staaten gab und gibt, von Anfang an kein Zweifel gelassen, dass man den Abbruch der Beziehungen bedauerte und sich um ihre möglichst rasche Wiederherstellung bemühte. Dennoch wurden erst im April 2021 Gespräche in der irakischen Hauptstadt Bagdad über eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Teheran und Riad aufgenommen. Die am Freitag veröffentlichte gemeinsame Erklärung Saudi-Arabiens, Irans und Chinas enthält mit Bezug darauf eine Danksagung sowohl an den Irak als auch an das Sultanat Oman, das sich ebenfalls als Gastgeber für Verhandlungen zur Verfügung stellte.

Dass die entscheidende Schlussphase der Gespräche in Beijing stattfand, zeigt die wachsende Bedeutung Chinas als internationaler Vermittler. Die Wiederherstellung offizieller Beziehungen zwischen Iran und Saudi-Arabien wird weltweit als großer politischer Erfolg der Volksrepublik kommentiert. Die Einigung findet vor allem in der Region allgemeinen Beifall – in den Vereinigten Arabischen Emiraten und bei allen Parteien des Libanon ebenso wie in Syrien und bei der palästinensischen Hamas.

Selbst die Regierung in Washington bemüht sich, zu dem Vorgang, der ihr gewiss nicht willkommen ist, eine halbwegs freundliche Miene aufzusetzen. Offen enttäuscht, verstört und wütend zeigen sich nur Regierung und Opposition in Israel. Die großen Parteien geben sich, mit vordergründigen und teilweise direkt demagogischen Argumenten, gegenseitig die Schuld an dieser öffentlichen Niederlage. Schließlich war, ist und bleibt es ihr gemeinsames Ziel, Saudi-Arabien in eine politische und möglicherweise auch militärische Front gegen den Iran einzubeziehen.

Die in Beijing erreichte Einigung habe »Israels Verteidigungsmauer zerstört«, klagte Oppositionsführer Jair Lapid am Freitag. Sein Verbündeter, der frühere Verteidigungsminister Benjamin Gantz, wirft Premierminister Benjamin Netanjahu vor, er habe »die Sicherheit Israels und seiner Bürger preisgegeben«. Naftali Bennett, Netanjahus Vorgänger von Juni 2021 bis Juni 2022, brachte ein zukunftsträchtiges Stichwort in die Debatte: »Wir brauchen eine breite Notstandsregierung, die daran arbeitet, den Schaden zu beheben.«

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  • Leserbrief von A. Varese aus Bonn (15. März 2023 um 09:24 Uhr)
    Nicht zu früh freuen! Gut vorstellbar, dass sowohl in Washington als auch in Tel Aviv die Köpfe rauchen, um einen Weg zu finden, um diese Entwicklung nachhaltig zu torpedieren. Warten wir mal.
  • Leserbrief von Armin Axt aus Baden Baden (13. März 2023 um 19:53 Uhr)
    Epochal. Größte Nachricht der vergangenen Woche. Direkt beteiligte und (eur)asiatische Schutzmächte werden das zarte Pflänzchen nun gegen den scharfen Westwind zu schützen, zu hegen und zu pflegen haben. Wann und wo haben europäische oder amerikanische Einflussnahme je so etwas zustande gebracht? Besonders in jenen geschundenen Weltgegenden war und ist westliche Einflussnahme gleichbedeutend mit kurzsichtiger und eigennütziger Einmischung, konkret mit Diversion, Gewalt und Plünderung. Außer den hochgradig propagandistischen formierten Zombies, also den liberalen westlichen Mittelschichten, versteht jetzt jeder auf der Welt, dass für die Vermittlung eines gerechten und dauernden Frieden auch in Osteuropa ausschließlich China infrage kommt. Sollte der Westen dies sabotieren, hat er seine Selbstisolation besiegelt.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (13. März 2023 um 10:45 Uhr)
    Während die USA mit jahrelangen Misserfolgen im Nahen Osten zu kämpfen haben, sichert sich China einen Sieg. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien – in einem von Beijing vermittelten Abkommen – spiegelt Chinas eindeutigen, wachsenden Einfluss im Nahen Osten wider. Die Ankündigung der beiden Länder zeige, dass Beijing sein wirtschaftliches Engagement auch im Mittleren Osten ausbaue und sich stärker auf die Sicherheit konzentriere, und das zu einer Zeit, in der die Beziehungen zwischen den USA und der Region von Unsicherheit geprägt seien. Inmitten globaler geopolitischer Verschiebungen genießt China eine einzigartige Position in der Region, und Beijing hat konvergierende Interessen sowohl mit Saudi-Arabien als auch mit dem Iran. Schauen wir mal an, wie diese Angelegenheit von Washington interpretiert wird. Man kann nur hoffen, dass der geopolitische Wettbewerb mit den USA im Mittleren Osten dadurch nicht zu verschärfen wird oder sogar zu explodieren droht, weil die Zurückdrängung des chinesischen Einflusses im Nahen Osten und in anderen Teilen der Welt für die Regierung Biden nach wie vor eine Priorität bleibt. Kann die USA es gerade jetzt, wo der Kampf um den Asienmarkt geht, sich leisten und erlauben, dass Saudi-Arabien als selbständiger Akteur auftritt und die Sicherheitsstrategien der USA untergräbt? Wohl kaum!
    • Leserbrief von Armin Axt aus Baden Baden (15. März 2023 um 10:46 Uhr)
      Die Regierungen Westasiens sind entschlossen, den Unruhestifter dauerhaft aus ihrer Region zu verbannen. Das von Roosevelt geschlossene Bündnis mit den bin Sauds löst sich vor unseren Augen auf. Nach dem Rückzug der USA im Zuge von Fraking Boom, pivotal shift und Arab Spring (courtesy of NED) sowie allen Vorkommnissen rund um MBS und Kashoggi, nach allen Erfahrungen im Irak, Afghanistan, Libyen und Syrien sowie jüngst das Beispiel der Beschlagnahmung Hunderter Milliarden russischen Auslandsvermögens (öffentlich und privat) haben die Saudis einfach keinen Bock mehr. Wenn man seine Staatspolitik dann noch über Generationen ausrichtet, d.h. für Saudi-Arabien ein völlig neues, über die kommenden Jahrzehnte tragfähiges Geschäftsmodell aufsetzen will (kurz: mehr tech und services, weniger Öl – tatsächlich ist es viel, viel elaborierter), dann hat das schon für sich genommen gewaltige Implikationen für das Verhältnis zu den USA. Auch die allgemeine Verschiebung der Macht von G7 hin zu Brics+ macht sich sehr konkret bemerkbar, indem sie ganz neue Chancen für die wirtschaftliche und politische Ausrichtung der einzelnen Länder Westasiens bietet – das gilt sowohl inhaltlich/nach innen als auch in Bezug auf eine neue Freiheit bei der Wahl von Handels- und politischen Partnerschaften. Kurz, insbesondere nach den jüngsten Ereignissen (Beispiel NED/CIA riots im Iran) werden es die USA schwer habe, die Völker und Regierungen Westasiens hinters Licht zu führen und zu spalten. Ich bin optimistisch, dass Iran und Saudis und auch Türkiye, unter der Schirmherrschaft Russlands und Chinas, sich in Sachen Jemen und Syrien verständigen können. Die Kurden als objektiv fünfte Kolonne Washingtons werden sicher nicht optimal dabei wegkommen. Da Israel langsam auffällt, dass der US-Support keine sichere Bank ist, aber auch sie ihren Staat über Generationen absichern wollen, werden sie nach Wegen suchen, sich an lokalen Arrangements zu beteiligen – beste Aussichten für Israelis wie Palästinenser.

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