junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Sa. / So., 25. / 26. März 2023, Nr. 72
Die junge Welt wird von 2701 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 28.02.2023, Seite 2 / Inland
Friedensbewegung

»Alle erfahren unfassbare Anfeindungen«

Norddeutsche Friedenskonferenz bringt in Bremen Einzelinitiativen zusammen. Ziel ist stärkere Kooperation. Ein Gespräch mit Gerhard Schäfer
Interview: Jörg Werner, Bremen
2_int_Tobias Berking.jpg
Konferenz von Aktiven aus der norddeutschen Friedensbewegung in Bremen

In letzter Minute musste die lang geplante Konferenz der norddeutschen Friedensbewegung in eine Kirche verlegt werden. Der DGB hatte die Erlaubnis zur Nutzung seiner Räume zurückgezogen. So sprachen die Referentinnen zu den mehr als 130 Teilnehmenden von einer Kanzel herab, die mit dem Banner »Frieden auf Erden« geschmückt war. Ist das Ziel einer breiten Friedensbewegung nur ein frommer Wunsch?

Es gibt eine sehr lange Tradition der Kooperation von Christen, Pazifisten, Sozialisten und Kommunisten. Das friedenspolitische Engagement der Gewerkschaften wäre natürlich wünschenswert. Aber die Mehrheit der hier Teilnehmenden ist gewerkschaftlich organisiert. Mit der Mobilisierung von jungen Leuten haben wir noch einen Wunsch offen. Das werden die aktiven Teilnehmenden aus der Studierendenszene und der Umweltbewegung übernehmen, deren Beiträge die Diskussion hier sehr bereichert haben.

Wie gelang es Ihnen, 24 verschiedene Einzelinitiativen unter einen Hut zu bringen? Und was war der Auslöser dafür?

Gemeinsam ist allen Initiativen, dass sie unfassbaren Anfeindungen – vor allem durch die Medien – ausgesetzt sind. Und die Demonstrationen im letzten Jahr in Hamburg und in Berlin haben uns die Notwendigkeit vor Augen geführt, die Friedensarbeit der vielen kleinen Initiativen zu stärken.

Was waren die Knackpunkte dabei?

Die antikommunistischen Stereotype erschweren immer noch eine Ursachenforschung des Ukraine-Krieges. So bleibt das Thema »Imperialismus« in der gesamten Linken umstritten, die geopolitische Einordnung des Ukraine-Krieges kommt häufig zu kurz und auch das Ernstnehmen der russischen Positionen wird zu häufig ausgeblendet, ist aber eine Voraussetzung, um Verhandlungen und ein Ende des Krieges zu erreichen – wenn man das wirklich will.

War das anders in der Friedensbewegung der 1980er Jahre?

Der gravierende Unterschied ist wohl der »bellizistische Tenor einer geballten veröffentlichten Meinung«, wie Habermas es formulierte, und die »argumentative Schlichtheit«, wie Antje Vollmer es nannte, einer Grünen-Außenministerin, die Waffen als Lebensretter bejubelt. George Orwell lässt grüßen. Dadurch wird die Gefahr der stufenweisen Eskalation – der Konfliktforscher Glasl nennt dies »gemeinsam in den Abgrund« – verschleiert.

War dies eines der Themen, die in den drei Referatsblöcken aufbereitet wurden?

Im Mittelpunkt standen eher die Wirtschaftssanktionen. Die sind ja nur dann völkerrechtskonform, wenn sie auch vom Sicherheitsrat der UN beschlossen werden. Deren »Bumerangeffekt« auf die Wirtschaft auch des sanktionierenden Landes geht bis hin zu den aktuellen Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst, in denen jetzt »bedauernd« auf die Ausgaben für den Ukraine-Krieg verwiesen wird. Wichtig war auch der Verweis auf die Historie der Dominanz von Staat, Militär und Gewalt über die zivilen Tugenden, die seit jeher die Realität der Friedensarbeit bestimmen. Und die geopolitischen Ausführungen zur schrumpfenden Hegemonie der USA. Wer von Aufrüstung und Krieg spricht, darf natürlich auch vom Kapitalismus nicht schweigen.

Wie wollen Sie sich verhalten, wenn beispielsweise durch die Medien weiterhin versucht wird, Friedensaktivitäten wie Ihre ins rechte Lager abzuschieben?

Auf unserer Konferenz war kein AfD-Sympathisant anwesend. Wir halten es für eine demokratische Tugend, im Gespräch Menschen mit sachlich falschen Argumenten nicht auszuweichen und ihnen entgegenzutreten, um sie nicht den Rattenfängern von rechts in die Arme zu treiben. Und mit einer Partei wie der AfD gibt es bei uns selbstredend keinerlei Zusammenarbeit.

Lässt sich ein greifbares Ergebnis der Konferenz formulieren?

In unserer vorgeschlagenen »Bremer Erklärung« lautet das Fazit: »Wir fordern ein sofortiges Ende des täglichen Mordens! Ein Waffenstillstand ohne Bedingungen, ein Ende der Waffenlieferungen und ein Ende der völkerrechtswidrigen Sanktionen sowie eine diplomatische Offensive zur Aufnahme von Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland – möglichst unter Vorsitz und unter Kontrolle der UN, unter Mitbeteiligung Chinas, Brasiliens oder auch der Türkei oder wem auch immer – das ist das dringende Gebot der Stunde«.

Gerhard Schäfer ist Mitorganisator der Konferenz der norddeutschen Friedensbewegung

Drei Wochen kostenlos lesen

Wir sollten uns mal kennenlernen: Die Tageszeitung junge Welt berichtet anders als die meisten Medien. Sie bezieht eine aufklärerische Position ohne Besserwisserei und wirkt durch Argumente, Qualität, Unterhaltsamkeit und Biss.

Testen Sie jetzt die junge Welt drei Wochen lang (im europäischen Ausland zwei Wochen) kostenlos. Danach ist Schluss, das Probeabo endet automatisch.

Ähnliche:

Regio:

Mehr aus: Inland

Drei Wochen lang gratis gedruckte junge Welt lesen: Das Probeabo endet automatisch, muss nicht abbestellt werden.