»Dahinter steckt der Wunsch nach Wiederausrottung«
Interview: Oliver Rast
Dem Wolf hierzulande soll es an den Kragen gehen. Am Mittwoch vergangener Woche gaben die Berichterstatter der Bundestagsfraktionen im Umwelt- und Naturschutzausschuss ihre Voten zum Antrag der Union mit Titel »Bejagung des Wolfes im Rahmen eines Bestandsmanagements ermöglichen« ab. Wie fiel Ihr Votum aus?
So einen Antrag kann man nur als Ganzes annehmen oder ablehnen. Abschussquoten und Wolfsobergrenzen sind Scheinlösungen gegen Nutztierrisse, die den Schäfern de facto nicht helfen. Ich und meine Fraktion haben den Antrag abgelehnt. Ein gut funktionierender Herdenschutz ist auch aus Sicht der Wissenschaft am besten geeignet, um Wolfsrisse zu reduzieren und die Koexistenz von Schafen und Wölfen zu verbessern. Dass wir Weidetierbetriebe besser unterstützen müssen, darüber besteht Konsens.
Das heißt, Sie wollen den Bestand von bundesweit rund 160 Rudeln nicht regulieren?
Noch einmal: Was gar nicht hilft, sind ungezielte Abschüsse und Bestandsobergrenzen. Genau das verbirgt sich hinter der CDU/CSU-Forderung nach einem »Bestandsmanagement«. Wenn Jungwölfe ihre Eltern verlieren, ist das Risiko sogar deutlich höher, dass anschließend Nutz- statt Wildtiere gerissen werden. Wichtig ist ein Wolfsmanagement, das alle Aspekte einbezieht – kein Bestandsmanagement.
Keine Absenkung des Schutzstatus also?
Hinter dem Ruf nach der Absenkung des Schutzstatus für den Wolf steckt der Wunsch nach einer Wiederausrottung. Seit Jahren wird von interessierter Seite künstlich ein günstiger Erhaltungszustand herbeigeredet, um Bestandsabsenkungen zu rechtfertigen. Richtig ist aber auch: Gezielte Abschüsse einzelner »Problemwölfe« sind wirkungsvoll und wichtig, um Risse von Nutztieren zu beenden. Sie sind nach aktuell geltendem Recht in allen Bundesländern möglich und finden auch seit Jahren statt.
Wolfsrisse machen Weidetierhaltern zu schaffen, einige sehen sich existentiell bedroht …
Eine ökonomische Existenzbedrohung der Weidetierhaltung bestand schon lange vor der Rückkehr des Wolfes. Deutschland hat als einziges EU-Land der Schafhaltung keine Weidetierprämie gewährt. Das wurde ab 2022 geändert. Wir sind zuversichtlich, dass dies dazu beiträgt, die Weidetierhaltung zu stabilisieren. Weitere Hilfen sind im Zuge der Agrarförderung bereits in der Diskussion.
All das hat aber nichts mit dem Wolf zu tun. Wolfsrisse belasten die Tierhalter jetzt zusätzlich. Deshalb muss das Wolfsmanagement ständig optimiert werden. Kosten für den Herdenschutz werden schon jetzt von den Ländern erstattet, weil Naturschutz, also auch das Wolfsmanagement, Ländersache ist. Die Agrarförderung ist aber viel entscheidender und muss der ganzen Branche wieder auf die Beine helfen.
Alternativ fordern Hirten beispielsweise »wolfsfreie Zonen«. Realistisch?
Nein, das ist realitätsfern. Solche Zonen kann man nur auf dem Papier einrichten, und sie halten Wölfe nicht davon ab, weit umherzuwandern. Schutz bieten dann Zäune, Hunde oder Hirten. Da sind noch Verbesserungen möglich, gerade in den Alpen. Was wir vor allem in Deich- oder Bergregionen brauchen, sind optimierte Warnsysteme. Wenn die Bewegungsmuster der Wölfe bekannt sind, kann viel angepasster reagiert werden.
Risse bei Schäfern und Ziegenhalter sind das eine, Risse von Wildtieren das andere. Insbesondere Jäger schlagen Alarm. Salopp gefragt: Fressen Wölfe unsere Wälder leer, bleibt nichts mehr für die Jägerschaft?
Definitiv nein, das geht biologisch auch gar nicht. Das einzige Lebewesen, das seine eigene Lebensgrundlage zerstört, ist der Mensch. Wenn Wölfe eine Region wieder besiedeln, versetzen sie in den ersten drei bis vier Jahren das Wild in Aufregung, und das merkt die Jägerschaft. Das Wild arrangiert sich aber mit den Wölfen, ohne auszusterben. Beim derzeitigen Wolfsbestand töten im übrigen Autos in Deutschland viermal mehr Wild als die Wölfe. Und die Jäger schießen zehnmal mehr, als die Wölfe fressen können. Die für den Schutz der gestressten Wälder dringend nötige Absenkung der Wildbestände schaffen unsere Wölfe nicht, da brauchen wir weiterhin die Jägerschaft. Die Angst, hier überflüssig zu werden, ist also unbegründet.
Harald Ebner ist Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (17. Februar 2023 um 09:05 Uhr)Am 8. Februar 2023 schrieb ein Leser: »Fressen und gefressen werden. Das ist das Wolfsgesetz des Kapitalismus. Wie sehr viele Menschen dieses Gesetz verinnerlicht haben, zeigt die seltsame Liebe zum Wolf.« Früher sprach man bei einer bestimmten Spezies Mensch verständnisvoll von »grünen Spinnern«. Heute weiß man: Das sind hartgesottene, eiskalte Naturen, die über Leichen gehen (siehe »Panzer-Toni«) und die sich da die Spielwiese »Wolf« auf Kosten der Weidetierhalter und der Steuerzahler leisten.
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