Konzerne machen Kasse
Von David Maiwald
In Krisenzeiten zeigt sich, wessen Interessen regieren. Bleibt bei Beschäftigten aus Angst vor der nächsten Abrechnung die Wohnung kalt, so gerät ein Konzern nach dem nächsten angesichts von Rekordgewinnen in Freudentaumel. Der britische Energieriese Shell vermeldete am Donnerstag einen Nettogewinn von rund 40 Milliarden US-Dollar (rund 36,4 Milliarden Euro). Im Vergleich zum Vorjahr hat sich das Ergebnis – auf das nun höchste der Unternehmensgeschichte – mehr als verdoppelt.
Nach einem Jahr der Rekordgewinne dank gestiegener Energiepreise profitieren die Aktionäre: Sie erhalten insgesamt 26 Milliarden US-Dollar Ausschüttung. Shell will nicht nur die Dividenden um 15 Prozent erhöhen, sondern kündigte ein Rückkaufprogramm in Höhe von vier Milliarden US-Dollar an, was Kurs und Wert der Aktien nach oben treiben dürfte. Die Energiekonzerne hatten schon vor Beginn des Kriegs in der Ukraine die Preise angehoben. Auftrieb erhielten die Preise und daraus erzielten Gewinne durch die Abkehr westlicher Staaten vom Import von Öl und Erdgas aus Russland.
Bei der österreichischen OMV klopften sich die Bosse am Donnerstag für eine satte 85prozentige Gewinnsteigerung im vergangenen Jahr auf die Schulter. Unterm Strich fuhr der teilstaatliche Energiekonzern rund 5,7 Milliarden US-Dollar ein. Mit dem nahezu Zehnfachen hatte der US-Energieriese Exxon bereits am Mittwoch mit 55,7 Milliarden US-Dollar den größten Gewinn der Konzerngeschichte mitgeteilt.
Die Energiepreisexplosion betrifft gerade Beschäftigte besonders. Dennoch ermöglichen die Regierenden es den Unternehmen derzeit, sie, wo es geht, verschärft auszubeuten. So ließ der französische Staatschef Emmanuel Macron Arbeiter von Esso-Exxon Mobil und Total Energies zwangsrekrutieren, als diese im Oktober ihren Anteil an den sprudelnden Gewinnen der Ölmultis mit Streiks einforderten. Aktuell kämpfen Millionen von Franzosen gegen Macrons sogenannte Rentenreform, seit Mittwoch greift die französische Version der Hartz-Gesetze. Nach Vorbild des französischen Arbeitszwangs sägt die britische Regierung mit Hedgefonds-Premier Rishi Sunak am Streikrecht.
Dass ihre lukrative Industrie den Planeten in eine Katastrophe manövriert, ist den Ölmultis komplett bewusst. Laut einer im Januar im Fachmagazin Science veröffentlichten Analyse von Wissenschaftlern der US-Universität Harvard und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) wusste Exxon Mobil seit Jahrzehnten von drohender Erderwärmung. »Parallel zur Orchestrierung von Lobby- und Propagandakampagnen zur Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen«, so die Klimaforscher. »Was Exxon Mobil dann bekanntlich leider tat, steht in scharfem Kontrast«, erklärte Koautor Stefan Rahmstorf vom PIK. Der Konzern kündigte Ende 2022 an, in der EU gegen die Besteuerung von Übergewinnen vorzugehen.
Diese fasst die Ampelkoalition in der BRD – auf Druck aus der EU – nur mit Fingerspitzen an. Der Fiskus greift nach lediglich einem Drittel der Übergewinne. Lieber stoßen Kapitalvertreter hierzulande immer wiederkehrende Debatten über »flexible« (also verlängerte) Arbeitszeiten und späteren Renteneintritt an. Millionen Beschäftigte erlebten im Rekordjahr der Energiekonzerne einen bislang einzigartigen Reallohnverlust, trotz Erhalt der Kaufkraft durch Einmalzahlungen. Für die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi war dennoch »nicht die Zeit für grundsätzliche kapitalismuskritische Debatten«. In wessen Interesse?
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin ( 3. Februar 2023 um 09:38 Uhr)Wieder einmal bewahrheitet sich Teddys Spruch, dass imperialistische Kriege immer Kriege gegen das Proletariat sind. Und wieder einmal ist es erschütternd, wie dieses die internationale Solidarität etwa mit den Arbeitern des Donbass aufkündigt und sich eine Linke abwartend an die Seite des Hauptkriegstreibers stellt.
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