Bildung statt Waffen
Von Pascal Richter
Knapp 100 Gewerkschafter folgten vergangenen Donnerstag einer Demonstration der Verdi-Betriebsgruppe der Freien Universität Berlin (FU) vor das Berliner Abgeordnetenhaus. Die Gewerkschafter übergaben anlässlich der letzten Plenarsitzung vor den Wiederholungswahlen im Februar eine Petition mit knapp 4.800 Unterschriften. Über 20 Personalratsgremien der Hochschule fordern darin, die Hauptstadtzulage in Höhe von 150 Euro, welche das Land Berlin allen seinen Beschäftigten bis zur Gehaltsstufe E 13 zahlt, auch bei Hochschulbeschäftigten anzuwenden. Bislang sind Universitäten von der Zulage ausgenommen, die den Landesdienst attraktiver machen soll.
Zeichen setzen
Man habe kurz vor den Wahlen im Februar mit anderen Belegschaften ein Zeichen setzen wollen, sagte Claudius Naumann, Sprecher der FU-Betriebsgruppe, auf der Demonstration. Beschäftigte müssten durch Inflation Reallohnverluste hinnehmen, »während Milliarden für Waffen ausgegeben werden und Rüstungskonzerne Rekordgewinne machen«. Exemplarisch für die Situation an der FU sei die Entwicklung im Fachbereich Veterinärmedizin. Dort musste die 24-Stunden-Notbehandlung eingestellt werden, weil qualifizierte Fachkräfte sich wegbewarben. Der Personalmangel in der Verwaltung führe außerdem dazu, dass der Tarifvertrag an vielen Stellen nicht konsequent umgesetzt wird. Qualifizierte Fachkräfte bewerben sich deshalb dorthin, wo sie bessere Arbeitsbedingungen vorfinden. Die Lage ist so gravierend, dass sogar das Präsidium der FU sich veranlasst sah, Beschäftigten die Teilnahme an der Kundgebung in der Kernzeit zu ermöglichen.
Die Hauptstadtzulage müsse allen Beschäftigten gezahlt werden, erklärte Naumann. Diese könne aber keine Antwort auf Inflation und Krise sein. Die Verdi-Betriebsgruppe fordere daher tabellenwirksame Tarifsteigerungen und die gleitende Lohnskala.
Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Bündnis 90/Die Grünen) nahm die Unterschriften in Empfang. Wegen mangelnder Ausfinanzierung seien ihr aber die Hände gebunden, erklärte sie. Ginge es darum, Wissenschaftler an den Standort Berlin zu holen, sei die Zulage aber wichtig: Entsprechende Regelungen müssten bei den anstehende Haushalts- und Hochschulvertragsverhandlungen getroffen werden. Naumann erwiderte, die Zulage dürfe nicht in die Verhandlungen »ausgelagert«, sondern müsse sofort gezahlt werden.
Unterstützung sicherte der wissenschaftspolitische Sprecher von Die Linke, Tobias Schulze, zu. Die Hauptstadtzulage könne jedoch nur noch bis Oktober 2025 gezahlt werden, bemerkte er. Die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) hatte das Land Berlin im März 2020 aufgefordert, die Zahlung der Zulage ab dem 31. Oktober 2025 einzustellen: Berlin werde sonst aus der Tarifgemeinschaft ausgeschlossen. Schulzes Ziel sei es jedoch, die Zulage für Hochschulbeschäftigte zumindest bis 31. Oktober 2025 zu zahlen.
Für Löhne und Frieden
Christoph Wapler (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte in einem Redebeitrag, die Ungleichbehandlungen betreffe nicht nur den Ausschluss der Hochschulen bei der Hauptstadtzulage, sondern auch die nicht umgesetzten Rückführungen von Tochtergesellschaften der landeseigenen Krankenhäuser, etwa bei Vivantes. Charlotte Rutz-Sperling, Verdi-Vertrauensfrau bei Vivantes, hatte zuvor berichtet, zum Jahresbeginn 2022 sei der Tarifvertrag für Beschäftigte beim Vivantes-Konzern und dessen Töchtern in Kraft getreten. Bis heute würden die Verträge aber falsch oder überhaupt nicht umgesetzt. Betriebsräte und Verdi würden nun für jedes Scheitern verantwortlich gemacht.
Zum Ende der Kundgebung erklärte Benedikt Hopmann, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht, die Frage von Krieg und Frieden könne nicht mehr losgelöst von gewerkschaftlichen Forderungen betrachtet werden. Es sei weitreichend, ob finanzielle Mittel für Waffen oder für faire Löhne verwendet würden. Gewerkschaften und Friedensbewegung müssten gemeinsam für die Verteidigung der Reallöhne und gegen den Krieg handeln.
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