Druck auf Boluarte steigt
Von Jörg Tiedjen
Für die peruanische De-facto-Präsidentin Dina Boluarte wird die Luft dünner. Am Mittwoch (Ortszeit) beantragte eine Gruppe von Kongressabgeordneten, sie wegen »moralischer Unfähigkeit« des Amtes zu entheben, wie der Fernsehsender Telesur am gleichen Tag meldete. Zur Begründung hieß es, dass Peru »aufgrund der miserablen Amtsführung Boluartes und des inkompetenten Einsatzes der Polizei« ausblute. Die Übergangsstaatschefin habe »vor den Augen der Welt gezeigt, dass sie keinerlei menschliches Gespür« habe.
Der Amtsenthebungsantrag ist der erste, der im Kongress gegen Boluarte gestellt wird. Er wurde von der Abgeordneten Nieves Limachi von der Partei Perú Democrático eingebracht und hat die Unterstützung weiterer Parlamentarier. Hintergrund sind die landesweiten Proteste, die sich am parlamentarischen Staatsstreich gegen den linken Präsidenten Pedro Castillo Anfang Dezember entzündet hatten. Die Demonstranten fordern den Rücktritt Boluartes, die Auflösung des Kongresses, die unverzügliche Freilassung des für 18 Monate inhaftierten Castillo sowie Neuwahlen. Nach Angaben der peruanischen Behörden waren zuletzt 90 Straßenblockaden in 30 Provinzen des Andenstaats zu verzeichnen.
Am 15. Januar hatte Boluartes Übergangsregierung im Departement Puno, in weiteren Provinzen des Landes und in der Hauptstadtregion den Ausnahmezustand verhängt. Geschätzte 60 Menschen sind seit Beginn der Auseinandersetzungen vor allem im Süden des Landes getötet worden. In Puno solle es nach Angaben von Telesur zu regelrechten Menschenjagden durch das Militär kommen. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichten die Repressionen am Dienstag, als Einsatzkräfte gegen Teilnehmer einer großen, landesweit organisierten Demonstration in der Innenstadt von Lima vorgingen. Laut Berichten von Telesur vom Mittwoch hätten sich die Teilnehmer der Kundgebung friedlich verhalten. Dennoch gab es sechs Verletzte und zahlreiche Festnahmen. Unabhängige Medien und Organisationen wie die Menschenrechtsvereinigung Coordinadora 14 N prangerten in sozialen Netzwerken den Einsatz von Plastikschrotmunition und Tränengas an. Mehr als 6.800 Einsatzkräfte seien laut dem peruanischen Sender RPP Noticias ins Zentrum Limas beordert worden.
Vor der Großkundgebung am Dienstag hatte Boluarte zu einem »nationalen Waffenstillstand« aufgerufen. Obwohl die Repressionen durch Einsatzkräfte gut dokumentiert sind, blieb sie Telesur zufolge bei ihrem Standpunkt, dass die Demonstranten selbst für die Gewalt verantwortlich seien. Das sehen Juristen anders. So hat die peruanische Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Innenminister Vicente Romero wegen eines Polizeieinsatzes in Lima am Samstag eingeleitet, bei dem Polizeikräfte mit einem Panzer auf den Campus der Universität vorgedrungen waren. Außerdem kündigte eine Gruppe von 46 peruanischen Anwälten vor dem Hintergrund der Geschehnisse am Dienstag an, Boluarte beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschheit zu verklagen.
Ebenfalls am Dienstag brachte die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro, am Rande des VII. CELAC-Gipfels in Buenos Aires ihre Solidarität mit den Demonstranten zum Ausdruck: »Wir verurteilen den Staatsstreich in Peru und die Aggression, der das peruanische Volk ausgesetzt ist. Wir solidarisieren uns mit dem rechtmäßigen und gewählten Präsidenten Pedro Castillo und fordern seine sofortige Freilassung«, wird Castro von Telesur zitiert. Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador schloss sich der Forderung an und rief die CELAC-Mitglieder auf, in einer gemeinsamen Resolution Castillos Freilassung zu verlangen.
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