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Aus: Ausgabe vom 27.01.2023, Seite 6 / Ausland
Italien Afrika

Russland eindämmen

Meloni in Algerien: Partnerschaft macht Italien zu Energieknotenpunkt
Von Gerhard Feldbauer
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Mitarbeiter des italienischen Ölkonzerns ENI inspiziert Pipeline beim algerischen Bir Rebaa (26.2.2016)

Geplant war das Projekt bereits 2014, jetzt soll es in die Tat umgesetzt werden. Während des Besuchs der Ministerpräsidentin Italiens, Giorgia Meloni, am Dienstag in Algerien hat der staatliche Energiekonzern Ente Nazionale Idrocarburi (ENI) fünf Verträge zur weiteren Sicherung der Gasversorgung Italiens geschlossen, darunter die Wiederbelebung des Pipelineprojekts GALSI von Algerien über Sardinien zum italienischen Festland. Damit werde Algerien, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur ANSA, Italiens Hauptgaslieferant und potentieller Hauptpartner, die Halbinsel zudem ein Energieknotenpunkt, »ein Tor nach Europa«, was den Einfluss Chinas und Russlands in Afrika eindämmen könne.

Bereits in ihrer Antrittsrede vor drei Monaten hatte Meloni bezüglich der von ihr anvisierten verstärkten Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten von einem »Mattei-Plan« gesprochen. Daran erinnerte auch die Financial Times (FT) am 11. Januar. Benannt ist dieser nach dem ENI-Gründer Enrico Mattei, unter dem das Unternehmen seit 1954 in Afrika tätig war, um »den Kontinent bei der Entwicklung seiner natürlichen Ressourcen zu unterstützen und Italiens Energieunabhängigkeit zu fördern«, wie es bei FT heißt. Das britische Blatt übersieht dabei die historischen und politischen Unterschiede von damals und heute. Die Atlantikerin Meloni steht hinter den USA, der NATO und deren Krieg in der Ukraine, um Russland als Weltmacht auszuschalten. Die Sanktionen stärken die USA und ihren Einfluss auf die EU-Staaten. Italien ist gezwungen, den Ausfall seines aus Russland bezogenen Gases – bisher etwa ein Drittel des Gesamtverbrauchs – zu ersetzen.

Der frühere ENI-Präsident Mattei war im Kampf gegen das Besatzungsregime Hitlerdeutschlands Kommandant einer katholischen Partisanenbrigade, blieb nach Kriegsende Antifaschist, war Gegner des NATO-Beitritts 1949 und der Blockkonfrontation. Er weigerte sich, die ENI dem US-Unternehmen Standard Oil unterzuordnen. Um Italien aus der einseitigen Abhängigkeit von der Erdölversorgung durch die USA zu lösen, schloss er Verträge mit der Sow­jetunion, die vorsahen, 30 Prozent des Bedarfs zu sichern. Weitere Lieferungen deckte er durch Abkommen mit arabischen Staaten ab, die damals aus dem nationalen Befreiungskampf hervorgegangen waren und um ihre ökonomische Unabhängigkeit kämpften. Heute sind diese Staaten dem neokolonialen Joch des Kapitals ausgeliefert und für ihre Partnerstaaten wie Italien vor allem Rohstofflieferanten.

Wie die Historiker Roberto Faenza und Marco Fini 1976 in »Gli Americani in Italia« schrieben, wurde der ENI-Chef von der CIA als einer »der gefährlichsten Feinde« der USA eingeschätzt, gegen den »entsprechende Maßnahmen« zu ergreifen seien. Man sah seine Energiepolitik als »Bedrohung der amerikanischen wirtschaftlichen und politischen Positionen in Italien und im Nahen Osten«. Der US-Auslandsgeheimdienst handelte folgerichtig: Am 27. Oktober 1962 stürzte Mattei mit seinem Privatflugzeug bei Mailand ab. Nach der Aufdeckung der geheimen CIA-Truppe Gladio 1991 wurde bekannt, dass ein Offizier der Leibwache Matteis, der das Flugzeug vor dem Start inspiziert und den Motor manipuliert hatte, zu Gladio gehörte. Nachfolger Matteis wurde Eugenio Cefis, ein Finanzier der Faschisten, der in die von der CIA betriebene Spannungsstrategie sowie faschistische Putschversuche und Mafia-Aktivitäten verwickelt war.

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