»Ein neokoloniales Projekt«
Von Raphaël Schmeller
Durch den Ukraine-Krieg gerät die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts – die Bewältigung der Klimakrise – zunehmend in den Hintergrund. Jüngstes Beispiel: Am Dienstag abend hat Ugandas Präsident Yoweri Museveni den Startschuss für die ersten Ölbohrungen des Landes gegeben und gleichzeitig den Bau der East African Crude Oil Pipeline (EACOP) genehmigt. Reaktionen darauf gab es in der BRD bisher kaum, zu groß war wohl die Euphorie über Panzerlieferungen bei den vermeintlichen Klimaaktivisten im Umfeld der Partei Bündnis 90/Die Grünen.
Zweifellos bedeuten Musevenis Ankündigungen – auch wenn von deutschen Medien praktisch nicht aufgegriffen – erhebliche Rückschritte im Kampf gegen die Erderwärmung, denn das Vorhaben ist eine der klimaschädlichsten Unternehmungen weltweit. Die EACOP soll mit einer Gesamtlänge von 1.443 Kilometern die längste beheizte Ölpipeline der Welt werden. Mit ihr soll Öl von Feldern in der Nähe des Albertsees im Westen Ugandas durch Tansania bis zum Indischen Ozean gebracht und dann verschifft werden. Das Projekt wird vom französischen Ölriesen Total Energies und internationalen Investoren vorangetrieben.
Die Pipeline, die durch Nationalparks und andere schützenswerte Naturräume führt, steht international stark in der Kritik. Laut der Kampagne »Stop EACOP«, die von mehr als 260 Organisationen unterstützt wird, würden bei diesem Projekt täglich 200.000 Barrel Öl gefördert und jährlich bis zu 34 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verursacht – das ist das Siebenfache dessen, was Uganda aktuell pro Jahr ausstößt.
Für Fridays-for-Future-Sprecherin Line Niedeggen ist die Pipeline vor allem auch ein »Projekt, das auf der neokolonialen Idee basiert, internationale Umweltzerstörung durch europäische Konzerne, wie hier Total Energies, als Wirtschaftsmotor für ärmere Länder zu verkaufen«, wie sie am Mittwoch gegenüber jW erklärte. Tausende Menschen seien bereits vertrieben und nicht entschädigt worden, um mitten durch wichtige Ökosysteme eine Pipeline zu bauen, die niemandem vor Ort nutze, so Niedeggen.
Tatsächlich werden durch die Ölleitung die globalen Ungleichheiten weiter verschärft. Denn für den Bau müssen nicht nur Zehntausende Menschen umgesiedelt werden. Auch werden die Profite der Pipeline nicht in der Region bleiben, sondern in den globalen Norden fließen. Was Uganda und Tansania bleiben wird, ist eine verstärkte Abhängigkeit von fossilen Energien, wobei die Menschen vor Ort bereits erheblich von den Folgen der Klimakrise betroffen sind.
Line Niedeggen meint, dass, selbst wenn die Pipeline schon genehmigt ist, der Bau und die Ölförderung noch jederzeit gestoppt werden könne. »Wenn die früheren Kolonialstaaten endlich angemessene Reparationen zahlen und Schulden erlassen, die sie vielen Ländern aufgezwungen haben, sind Länder wie Uganda auch nicht mehr auf angebliche Unterstützung angewiesen«, so das Fazit der Fridays-for-Future-Sprecherin.
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