H2Med und La-Le-Lu
Von Knut Mellenthin
»Spanien will Europa künftig mit grünem Wasserstoff versorgen. Die Unterseepipeline nach Marseille war bereits beschlossen – jetzt haben sich Deutschland und Frankreich darauf geeinigt, die Leitung zu verlängern.« (Spiegel online, 23. Januar)
So einfach kann man es formulieren, wenn man will oder soll. Aber stimmt es auch, und was sagt es überhaupt aus? Produziert Spanien sogenannten grünen Wasserstoff in nennenswerten Mengen, geschweige denn in einem Umfang, der zur Versorgung Europas beitragen kann? Und was bedeutet in diesem Zusammenhang »künftig«?
Grundlage der aktuellen Meldungen über eine Einigung ist die »Französisch-Deutsche Erklärung«, die am Sonntag während des Besuchs einer deutschen Regierungsdelegation in Paris veröffentlicht wurde. In dem langen Statement ist von vielen Dingen die Rede, an erster Stelle und hauptsächlich aber von der Verstärkung der indirekten militärischen Kriegführung gegen Russland. Oder – verkleidet in die Politikersprache – von der »Verteidigung der europäischen Werte und Interessen« und von der »Aufrechterhaltung der auf die Prinzipien der UN-Charta gegründeten internationalen Ordnung«.
Erst mehrere Seiten später tauchen die »energiepolitischen, wirtschaftlichen, umweltmäßigen, klimatischen, industriellen und gesellschaftlichen Herausforderungen auf«. Zur Weiterführung der im Oktober vorigen Jahres offiziell vereinbarten Unterwasserpipeline von Barcelona nach Marseille heißt es in der französisch-deutschen Erklärung: »Bei Anerkennung der Unterschiede unserer nationalen Energieproduktionen wollen wir hinarbeiten auf ein gemeinsames Verständnis und eine strategische Roadmap, die die Entwicklung einer großformatigen Wasserstoffproduktion zum Ziel hat (…). Wir wollen außerdem die erforderlichen Schritte zur Schaffung eines Rückgrats für den Transport von Wasserstoff quer durch Europa vornehmen, einschließlich der notwendigen nationalen und transnationalen Infrastrukturen. Dazu gehört insbesondere die Ausweitung und Verbindung der bestehenden und geplanten Infrastrukturen, einschließlich der Verlängerung der H2Med-Pipeline nach Deutschland in enger Zusammenarbeit mit den involvierten Partnern (…).«
Es handelt sich, wie fast immer in solchen Fällen, um eine unverbindliche und unspezifische Absichtserklärung. H2Med ist mittlerweile zur gebräuchlichen Bezeichnung für die geplante Rohrleitung zwischen Barcelona und Marseille geworden, deren Bau am 20. Oktober von Frankreich, Spanien und Portugal vereinbart wurde. Das Projekt, für das es anscheinend noch keinen Zeitplan gibt, ersetzt frühere Pläne einer Leitung von der Flüssigerdgasverarbeitung in der Hafenstadt Barcelona durch die Pyrenäen nach Frankreich, die von der BRD befürwortet, aber von Präsident Emmanuel Macron erfolgreich blockiert wurden.
Als das Vorhaben vor einem Vierteljahr angekündigt wurde, schien völlig klar, dass zunächst Erdgas und erst zu einem undefiniert späteren Zeitpunkt Wasserstoff durch die Pipeline strömen sollte. Das verschob sich in öffentlichen Stellungnahmen im Dezember. Jetzt ist nur noch vom Wasserstoff die Rede. Erstaunlich ist das nicht: Die Umwidmung klingt nicht nur »umweltfreundlicher«, sondern öffnet auch die Option, auf EU-Fördermittel zugreifen zu können.
Aber real wird es vermutlich, falls die Leitung Barcelona–Marseille jemals gebaut wird – das kann ein paar Jahre dauern –, fürs erste beim Transport von Erdgas bleiben. Das Objekt der Träume und Einlullungen, sogenannter grüner Wasserstoff, der unter Einsatz von erneuerbaren Energieträgern produziert wird, ist mit Problemen verbunden, die noch nicht wirklich gelöst sind. Erst für das Jahr 2050 ist einem Bericht des norwegischen Energieunternehmens Statkraft vom Oktober 2022 zufolge ein Anteil von 20 Prozent am Verbrauch der EU-Länder angepeilt. Gegenwärtig macht Wasserstoff nach EU-Angaben weniger als zwei Prozent des europäischen Energieverbrauchs aus. Davon sind 96 Prozent nicht »grün«, sondern »blau«: Zur Herstellung wird Erdgas verwendet.
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