Bosse blockieren
Von Oliver Rast
Belegschaftsvertreter fordern Details. Einzelheiten zu den Plänen des US-Autobauers Ford, das deutsche Traditionswerk in Köln »umzustrukturieren«. Bis zu 3.200 Jobs in der Produktentwicklung, im Ersatzteilzentrum und der Verwaltung stehen auf der Kippe, »jeder vierte Beschäftigte dort soll gehen«, empörte sich Benjamin Gruschka am Montag abend in einem Statement. Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats (GBR) hatte deshalb gleichentags zu einer außerordentlichen Betriebsversammlung geladen. Der Andrang am Montag vormittag war riesig, im Dreischichtsystem versammelten sich wütende und frustrierte Kollegen. Gruschka: »Mehr als 12.000 der insgesamt circa 15.000 Beschäftigten am Kölner Standort.« Ein Mobilisierungserfolg in akuter Lage. Aber auch einer mit Wirkung?
Das Problem: Die Ford-Chefs schweigen über die Modalitäten der Arbeitsplatzvernichtung, lassen die Belegschaft im Ungewissen. Und nennen nur einen zentralen Grund: die Komplettumstellung bei Pkw bis 2030 auf Elektromobilität in der EU. Weitere Pläne aus der Firmenzentrale zur elektromobilen Transformation samt Werksumstrukturierungen folgten erst, sobald jene »final sind«, sagte eine Konzernsprecherin am Montag auf jW-Anfrage.
Mit der Informationsblockade will sich der GBR nicht abfinden – und fordert, alle Planspiele rund um das Werk in der Domstadt offenzulegen. Zudem solle der Autohersteller die Verwaltungsstruktur vor Ort stärken, auf Auslagerungen in Billigstandorte verzichten. Und nicht zuletzt verlangt Gruschka einen »Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum 31. Dezember 2032«. Pascal Meiser (Die Linke) unterstützt die Forderungen. Denn offenkundig wolle das Ford-Management den Firmenumbau nutzen, hiesige Standorte »nach und nach abzuwickeln«, sagte der gewerkschaftspolitische Sprecher seiner Bundestagsfraktion am Dienstag zu jW. Nun räche sich, dass bei wichtigen Konzernbeschlüssen »kein hartes Mitbestimmungsrecht« für Belegschaften und Gewerkschaften gelte.
Auch Landespolitiker aus NRW melden sich zu Wort. André Stinka etwa, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Sollte die Streichliste umgesetzt werden, »ist das ein herber Schlag für die linksrheinische Automotive«, betonte Stinka gegenüber dieser Zeitung. Und: Es reiche nicht, wenn das »schwarz-grüne« Landeskabinett ein schillerndes industriepolitisches Leitbild male, »jetzt ist ein Industriegipfel nötig für sichere Arbeitsplätze bei Ford«. Wie reagiert das Landeswirtschaftsministerium? »Mit Sorge« auf jW-Nachfrage. Letztlich handele es sich »um eine unternehmerische Entscheidung« des US-Hauptsitzes im fernen Michigan. Stimmt wohl. Derweil läuft der »Restrukturierungsprozess« an den Bändern in den Werkshallen stoisch weiter.
Ford will seine Modellpalette stark reduzieren – und damit sein Image polieren. So setze das Unternehmen verstärkt auf das hochpreisige Segment bei vollelektrischen Vehikeln, wissen Branchenkenner. Gepusht würde auch die Fertigung von Nutzfahrzeugen, also Transportern und Lkw. Hinzu kommt: Für die Montage von E-Autos braucht es im Vergleich zu Verbrennern weniger Arbeitskraft. Sinkende Verkaufszahlen und ein sattes Umsatzminus dürften die Konzernbosse gleichermaßen beunruhigen. »Eher erfolglos war der US-Konzern im europäischen Pkw-Geschäft«, bilanzierte das Handelsblatt (Dienstagausgabe).
Was nun? Der Betriebsrat bleibe gesprächsbereit, so Gruschka. Aber: Mauere die Unternehmensleitung weiter und setze sie auf das Aus des Werks in Köln, dann würden alle gewerkschaftlichen Kampfmittel ausgeschöpft. »Auch wenn es schmerzhaft werden sollte.«
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