Au revoir
Von Ina Sembdner
Es ist ein weiterer Schritt der Emanzipation: Am Wochenende wurde bekannt, dass die burkinische Regierung unter dem Hauptmann Ibrahim Traoré die 2018 geschlossene Militärzusammenarbeit mit Frankreich aufkündigt. In dem auf den 18. Januar datierten Schreiben gibt Ouagadougou den rund 400 im Land stationierten französischen Truppen einen Monat zum Abzug. Für Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron waren diese von AFP übermittelten Worte anscheinend nicht ausreichend. Er forderte am Sonntag vor Reportern »Klarstellungen von Herrn Traoré«, mahnte zu »großer Vorsicht« und sprach von einer »großen Verwirrung«, die angeblich darüber herrsche.
In Burkina Faso selbst ist das weniger ein Problem. »Es war notwendig, weil wir offene Partner brauchen, die wirklich mit Burkina Faso zusammenarbeiten können«, erklärte etwa die Studentin Anicet Ouédraogo aus der Hauptstadt gegenüber Africa News. Ein anderer Einwohner von Ouagadougou, Balamoussa Coulibaly, fügte hinzu: »Ihre Anwesenheit hat keinen Wert. (…) Ich denke, dass wir einen Wechsel brauchen, und zwar auf allen Ebenen. Ich halte ihren Abgang für eine gute Entscheidung seiner Exzellenz Kapitän Traoré.« Zuvor hatten die antifranzösischen Proteste in den vergangenen Monaten bereits deutlich zugenommen. Am Freitag folgten Hunderte dem Aufruf des Collectif des leaders panafricains (CLP), in dem sich Organisationen zusammengefunden haben, die Traoré unterstützen. »Wir wollen der Welt sagen, dass sich das burkinische Volk entschlossen für die Wiedererlangung seiner wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Unabhängigkeit einsetzt«, so Moumini Boly vom Generalsekretariat des CLP.
Die Entscheidung Traorés reiht sich in die Entwicklungen der vergangenen Monate ein. Am 3. Dezember wurde die Ausstrahlung des französischen Auslandssenders RFI gestoppt, am 23. Dezember die UN-Koordinatorin Barbara Manzi zur Persona non grata erklärt, Anfang Januar folgte die Aufforderung, den französischen Botschafter Luc Hallade zu ersetzen. Die Gründe ähneln sich: RFI wurde vorgeworfen, »eine Botschaft der Einschüchterung in der Bevölkerung zu verbreiten, die einem Terroristenführer zugeschrieben wird«. Konkret bezog sich das auf eine von RFI ausgestrahlte Botschaft, in der die Dschama’a Nusrat ul-Islam wa Al-Muslimin (JNIM), eine Al-Qaida und dem IS nahestehende dschihadistische Gruppe, zivile Freiwillige bedrohte, die die Regierung beim Kampf gegen die bewaffneten Milizen unterstützt. Manzi hatte den Familien der UN-Beschäftigten empfohlen, die Hauptstadt zu verlassen.
Gleiches gilt für Hallade, der dies französischen Staatsbürgern, die sich in der ehemaligen Kolonie niedergelassen haben, empfohlen hatte. Sein von Ouagadougou geforderter Austausch sei Ausdruck einer Krise, allerdings nicht das Ende diplomatischer Beziehungen, erklärte eine Quelle dazu gegenüber der burkinischen Agentur AIB. »Es ist der Gesprächspartner, den wir einfach bitten zu ändern.« Der Aufforderung Traorés ist Paris aber bislang nicht nachgekommen. Am Sonntag voriger Woche enthüllte Hallade eine Stele für die sieben während ihres Einsatzes in Burkina Faso getöteten französischen Soldaten, wie die Botschaft online berichtete.
Traoré hatte am 30. September Oberstleutnant Paul-Henri Sandaogo Damiba ersetzt, der zuvor im Januar mittels eines Militärputsches die Macht von Roch Kaboré übernommen hatte. Die Begründung für die Absetzung lautete jeweils, dass die Führung nicht genug unternommen habe, dem dschihadistischen Terror Einhalt zu gebieten, der in den vergangenen Jahren Tausende Todesopfer forderte und zwei Millionen Menschen zur Flucht zwang. Seit Traorés Amtsübernahme übt sich Ouagadougou in selbstbewusster Diplomatie.
Im Dezember war Premier Apollinaire Joachim Kyélem de Tambèla zu Besuch in Moskau, vergangene Woche hatte er nach einem Treffen mit dem russischen Botschafter betont: »Russland ist eine vernünftige Wahl in dieser Dynamik« und fügte hinzu: »Wir denken, dass unsere Partnerschaft gestärkt werden muss.« Am Montag empfing der Premier den stellvertretenden iranischen Außenminister Ali Bagheri, der ebenfalls betonte, dass der Tag der Unabhängigkeit der afrikanischen Länder der Tag sei, »an dem es ihnen gelungen ist, sich aus den Fängen der europäischen Regierungen zu befreien«. Beide Seite kamen laut Angaben des iranischen Außenministeriums überein, eine gemeinsame Kommission Iran–Burkina Faso zu bilden, deren erste Sitzung in Kürze in Ouagadougou stattfinden soll.
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