Deutscher Wille
Von Arnold Schölzel
Militärisch, meinen die Militärs, sei der Ukraine-Krieg festgefahren, und nicht wenige ziehen Vergleiche zum Ersten Weltkrieg. Welche Konsequenzen aus der Situation zu ziehen sind, spaltet Medien und Politik dies- und jenseits des Atlantiks in Anhänger von »Klotzen« – mehr und weiter reichende Waffen nach Kiew liefern und Russland angreifen – oder von »Kleckern«: etwas mehr Kriegsgerät plus Diplomatie.
Fürs erstere machten sich am 7. Januar in der Washington Post zwei prominente »Bush«-Krieger stark: die frühere US-Sicherheitsberaterin und Außenministerin Condoleezza Rice – verantwortlich u. a. für die Debakel des Westens in Afghanistan und im Irak – und der ehemalige US-Kriegsminister Robert Gates, der das Desaster, das dem Libyen-Krieg bis heute folgte, auf seine Kappe nehmen darf. Ihr wenig überraschender Vorschlag: draufhauen. Die Zeit laufe aber Kiew davon. Dessen Bedarf an Kampfpanzern, sollten »Deutschland und andere Verbündete« decken, die US-Geräte vom Typ »Abrams« müssten wegen »ernster logistischer Probleme« zu Hause bleiben. Im übrigen benötige die Ukraine aber »Raketen mit größerer Reichweite, moderne Drohnen, umfangreiche Munitionsvorräte (einschließlich Artilleriegranaten), mehr Aufklärungs- und Überwachungsmöglichkeiten und andere Ausrüstung«, und zwar innerhalb von Wochen, nicht Monaten.
Den Helden der deutschen Schreibtischfront musste das nicht gesagt werden. Bereits am 6. Januar hatte FAZ-Mitherausgeber Berthold Kohler einen Kommentar mit dem Titel versehen: »Wo ein Wille ist, ist auch ein Panzer«. Das ist eine gute Parole. Der deutsche Generalstab hat 1914 oder 1941 schließlich auch nicht nach öden Tatsachen gefragt, sondern den »Koloss auf tönernen Füßen« im Osten zusammenfallen lassen – jedenfalls fast. Also fragte Kohler, wo »nach zehn Monaten des Verweigerns« jetzt »Schützenpanzer aus eigener Produktion, Kampfpanzer und Jagdbomber« für Kiew bleiben?
In der angeblichen »Zeitung für Deutschland« muss dann aber irgend jemandem mulmig geworden sein, von kalten Füßen durch »General Winter« sollte vielleicht nicht gesprochen werden. Am Freitag stöhnt jedenfalls FAZ-Außenressortchef Nikolas Busse auf Seite eins etwas von unterschätzter »Komplexität« der Lage, ein rasches Kriegsende sei »nicht in Sicht« und in der Panzerfrage gehe es um »Güterabwägung«. Die militärische Lage spreche dafür, Kiew mehr Waffen zu liefern. Politisch sei die Sache schwieriger: Zum einen wolle die Ukraine seit langem die Krim angreifen. Ein Medienbericht aus Washington lege nun »nahe, dass es in der amerikanischen Führung wachsendes Verständnis für dieses Vorhaben gibt«. Also für Attacken auf die russische Schwarzmeerflotte. Da warnt selbst Busse vor der russischen Reaktion. Zum anderen gibt er zu bedenken: Es könne »zum ersten Mal eine Lage entstehen, in der die Bündnisvormacht Amerika mit den Europäern nicht mitzieht.« Selbst keine Panzer liefern, sondern die Deutschen vorschicken. Das treibe den Bundeskanzler, und »unberechtigt« sei das nicht: Die BRD sei nämlich auf die »nukleare Teilhabe« angewiesen. Andererseits müsse Scholz endlich »die Führungsrolle, die er gerne beansprucht«, endlich wahrnehmen. Abschließend wird Busse grundsätzlich: »Es geht um die strategische Frage, ob man Russland wirklich eindämmen will, um dessen Ausgreifen weiter nach Westen zu verhindern, auch langfristig. Das erfordert einen höheren Einsatz als bisher, und es ist mit mehr Risiko verbunden. Aber das größere Risiko für Europa bleibt ein Sieg Putins.«
Im deutschen Generalstabskasino sind wieder einmal die Würfel gefallen: Das Spiel mit dem Globus darf neu aufgenommen werden. Wo ein Wille ist, ist auch ein deutscher Krieg.
Im deutschen Generalstabskasino sind wieder einmal die Würfel gefallen: Das Spiel nicht nur um, sondern auch mit dem Globus darf neu aufgenommen werden. Wo ein Wille ist, ist auch ein deutscher Krieg.
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