Mafiaaussteiger des Tages: Antonio Panzeri
Von Jörg Tiedjen
Die Ermittler in Belgien machen bei der Aufklärung des jüngsten EU-Skandals den Bock zum Gärtner. Am Mittwoch berichtete die BBC, dass der ehemalige italienische EU-Parlamentarier Pier Antonio Panzeri auspacken wolle, welche Länder alles in die Affäre um prall gefüllte Geldkoffer verwickelt seien. Dafür könne er nach einer Kronzeugenregelung, die für Mafiaaussteiger geschaffen wurde, Milde erwarten: ein Jahr Gefängnis plus Geldstrafe statt einer erheblich längeren Haftzeit.
Panzeri hat anscheinend kalte Füße bekommen. Am Montag hatte ein Gericht in Italien eingewilligt, dass nach seiner Frau auch seine Tochter nach Belgien ausgeliefert wird. Beide waren in Panzeris Machenschaften verwickelt.
Bisher ist der Skandal zumeist unter dem Schlagwort »Katar-Gate« so dargestellt worden, als sei bei ihm das Golfemirat treibende Kraft, weil es sich im Vorfeld der Fußball-WM ein gefälliges Image verschaffen wollte. Dabei ist Panzeri als Interessenvertreter Marokkos bekannt. So aus Dokumentenfunden, die ein unbekannter Hacker vor einigen Jahren unter dem Pseudonym »Chris Coleman« ins Internet stellte. Panzeris Wühlarbeit beleuchtete auch der marokkanische Journalist Ali Lmrabet. Er erzählte in einem Video, wie er von Panzeri zu einer Anhörung in Menschenrechtsfragen erst eingeladen worden war, nur um dann auf Forderung weiterer anwesender Marokko-Lobbyisten wieder des Saals verwiesen zu werden.
Am Mittwoch wurde im Deutschlandfunk EU-Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley (SPD) zu Panzeri befragt. Sie will von nichts gewusst haben, gab sich erschüttert und tat, als ob gerade ihre sozialdemokratische Fraktion, der auch Panzeri angehörte, um Wahrheit bemüht sei. Die Spur nach Marokko nannte sie eine Vermutung. Die Mafiastrukturen im EU-Parlament sind also längst nicht ausgemessen.
Drei Wochen kostenlos lesen
Wir sollten uns mal kennenlernen: Die Tageszeitung junge Welt berichtet anders als die meisten Medien. Sie bezieht eine aufklärerische Position ohne Besserwisserei und wirkt durch Argumente, Qualität, Unterhaltsamkeit und Biss.
Testen Sie jetzt die junge Welt drei Wochen lang (im europäischen Ausland zwei Wochen) kostenlos. Danach ist Schluss, das Probeabo endet automatisch.
Mehr aus: Ansichten
-
Aura des Moralischen
vom 19.01.2023