Scholz unter Dauerfeuer
Von Nick Brauns
Deutsche Panzer sollen rollen für den Sieg – im NATO-Stellvertreterkrieg der Ukraine mit Russland. Das fordern einmütig die Ampelkoalitionäre Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie die Unionsopposition, eine Mehrheit im EU-Parlament, Rüstungslobbyisten, osteuropäische NATO-Verbündete und die Kiewer Regierung. Es ist ein mediales und politisches Trommelfeuer, mit dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mürbe geschossen werden soll. Denn ohne Zustimmung der Bundesregierung dürfen auch andere Staaten wie Polen oder Finnland ihre Kampfpanzer vom Typ »Leopard 2« nicht weitergeben.
Die Position der Grünen sei, dass die Ukraine diese Panzer bekommen solle und dabei »auch die Bestände der Bundeswehr nicht tabu sein dürfen«, erklärte deren Parteivorsitzender Omid Nouripour am Dienstag abend gegenüber dem Sender Welt. Neben Panzern der Bundeswehr in zweistelliger Zahl sollten auch die eigentlich für die Slowakei und Tschechien vorgesehenen 29 »Leopard« an die Ukraine geliefert werden, forderte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Es müsse ein Weg gefunden werden, schneller Panzer aus Industriebeständen zu liefern – »das nannte man früher Kriegswirtschaft«, tönte der Oberst a. D. gegenüber RTL/N-TV. Jetzt sei es an der Zeit, »Härte zu zeigen«, denn das sei »die einzige Sprache, die Putin versteht«, sprach sich der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, der als Rüstungslobbyist wohl auf lukrative Geschäfte für die Waffenindustrie hofft, im ZDF für deutsche Panzerlieferungen aus.
In einer nicht bindenden Entschließung auf einen Grünen-Antrag hin forderte am Mittwoch eine Mehrheit des EU-Parlaments den deutschen Kanzler auf, einen Zusammenschluss europäischer Länder zu bilden, »um der Ukraine unverzüglich Kampfpanzer vom Typ ›Leopard 2‹ zu liefern«. In seiner Rede vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos am Mittwoch nachmittag sicherte Scholz der Ukraine zwar weitere Unterstützung »so lange wie notwendig« zu, ging aber nicht auf die geforderten Panzer ein.
Die NATO müsse es vermeiden, in einen direkten Konflikt mit Russland hineingezogen zu werden, hatte Scholz gegenüber der US-Nachrichtenagentur Bloomberg seine Bedenken erläutert. Bei einem Telefonat des Kanzlers mit US-Präsident Joseph Biden am Dienstag abend habe Übereinstimmung darüber geherrscht, dass die Unterstützung für die Ukraine »wirksam, nachhaltig und eng abgestimmt erfolgen müsse«, so die Bundesregierung. Die weiteren Militärhilfen für Kiew werden am Freitag in der aus 50 Staaten bestehenden »Kontaktgruppe zur Verteidigung der Ukraine« unter Leitung von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin auf dem rheinland-pfälzischen US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein koordiniert.
Die Debatte um die Panzerlieferungen sei »toxisch und trägt zur weiteren Eskalation dieses Krieges bei«, meinte Ali Al-Dailami, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, am Mittwoch gegenüber jW. Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dürfe sich nicht durch immer weiter eskalierende Forderungen von Kiew vor sich her treiben lassen, denn »Schritt für Schritt taumelt Deutschland so in die Katastrophe«. Die Kriegspropaganda auf allen Kanälen bleibt derweil nicht ohne Wirkung. Hatte sich Ende vergangener Woche noch eine Mehrheit der Bevölkerung gegen Panzerlieferungen ausgesprochen, so liegen Gegner und Befürworter in einer Forsa-Umfrage für das RTL/N-TV-Trendbarometer vom Dienstag mit jeweils 46 Prozent gleichauf.
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Mehr Waffen, mehr Krieg
Deutschland ist längst an diesem Krieg beteiligt, auch wenn das in den »pressefreien« Nachrichten allzu gern unter der Decke gehalten wird, da die Waffen meist durch Tausch über andere Länder ans Ziel gelangen. So liest man heute laut RTL/N-TV-Trendbarometer, dass das mediale »Trommelfeuer« eine fast 50prozentige Zustimmung der bundesdeutschen Bevölkerung zu den Panzerlierferungen bzw. zu weiterer militärischer Unterstützung der Ukraine erzielt habe. Die riesige Beteiligung an der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin am vergangenen Sonnabend sowie die massenhafte Antikriegsdemo am 15.1. mit besonders vielen jugendlichen Teilnehmern vermittelt ein anderes Bild. Die CDU-Opposition fordert wider alle Vernunft, sogar die für die Slowakei und Tschechien vorgesehenen »Leopard«-Panzer auch an die Ukraine zu liefern. Denn die soll siegen in diesem aussichtslosen Kampf gegen Russland, in dem mit jeder neuen Waffenlieferung Tausende von Soldaten und Zivilisten sterben. »Härte zeigen!«, das ist von jeher die Sprache nicht nur deutscher Militärs, sondern auch deutscher Politiker. Wie im Ersten und im Zweiten Weltkrieg triumphiert bei jeder neuen Lieferung die Waffenlobby. Krieg als Geschäft, das lohnt sich immer. Und die EU liegt ganz auf NATO-Linie, eine treue Verbündete.
Die Waffenlieferungen sind stets eng abgestimmt mit den Bündnispartnern, versteht sich. Bundeskanzler Scholz ist sich schon bewusst, dass weitere Waffenlieferungen an die Ukraine den Krieg nicht nur verlängern, sondern eskalieren lassen. Er ist sich auch über die Gefahren im Klaren. Doch opportunistischer Untertanengeist hat nichts mit Diplomatie zu tun und schon gar nichts mit verantwortungsbewusster freier Entscheidung. Inzwischen ist ein neuer Kriegs-, sprich Verteidigungsminister im Amt. Am kommenden Freitag soll im rheinland-pfälzischen Ramstein, wo noch immer US-amerikanische Raketen lagern, über das weitere militärische Vorgehen entschieden werden. Für eine gute – und das könnte ja nur eine friedliche Entscheidung sein – gibt es – schon allein im Hinblick auf diesen Ort – wenig Hoffnung.
(…) In einer Zeit wo um Dorfweiler wie Lützerath gerungen wird sollten diese Umweltverbrechen auch in der Partei Die Linke zum Gegenstand der Diskussion werden. Dazu zwei Beiträge des Deutschlandfunk zum nachhören: Enorme Umweltschäden durch den Krieg in der Ukraine https://www.deutschlandfunkkultur.de/ukrainekrieg-umwelt-schaeden-102.html oder Umweltkatastrophe im Kriegsgebiet: https://www.deutschlandfunkkultur.de/donbass-umweltkatastrophe-100.html bzw. zum nachlesen: Verheerende Umweltschäden durch den Krieg werden Ukraine noch viele Jahre belasten: https://www.rnd.de/politik/ukraine-krieg-umweltschaeden-werden-das-land-viele-jahre-belasten-O52RC7Y7VK6GJ5P3SVB3WVJGPE.html