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Aus: Ausgabe vom 18.01.2023, Seite 10 / Feuilleton

Rehahn, Hindemith, Brandt

Von Jegor Jublimov
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Beim Filmball zu den Arbeiterfestspielen 1960 in Aue: Harry Hindemith (M.) im Gespräch

Eine junge Journalistin schrieb als Mitbegründerin und stellvertretende Chefredakteurin vom Start, der sich im Untertitel das »Illustrierte Blatt der jungen Generation« nannte, 1946 ihre erste Filmkritik zu dem Defa-Film »Irgendwo in Berlin«; Harry Hindemith war einer der Hauptdarsteller. Der Name der Kritikerin: Rosemarie Rehahn. Am kommenden Sonntag wird ihr 100. Geburtstag begangen. Ab 1949 arbeitete sie für das Neue Deutschland, 1954 begann sie ihre jahrzehntelange Mitarbeit bei der gerade gegründeten Wochenpost. Hier entwickelte sie sich mit Filmkritiken, internationalen Festivalberichten und einfühlsamen Schauspielerporträts zu einer der wichtigsten Filmpublizistinnen der DDR, auch in anderen Zeitschriften und mit Buchbeiträgen, etwa im Kino- und Fernsehalmanach »Prisma«. Sie schrieb ihre Kritiken so, »als befände sie sich in einem Zwiegespräch mit dem Leser. Sie ließ uns an ihrem Nachdenken über die Filme teilhaben, näherte sich ihnen mit klugen Fragen, nie apodiktisch«, schrieb Filmhistoriker Ralf Schenk nach ihrem Tod 2010 in einem Nachruf.

Der erwähnte Harry Hindemith, als Arbeitersohn 1906 in Brüssel geboren, wurde in jungen Jahren Kommunist und debütierte als Schauspieler 1930 in Würzburg. Ab 1933 Restriktionen unterworfen, schloss er sich schließlich der NSDAP an, damit er weiterspielen konnte. Ab 1945 wirkte er an Berliner Bühnen, am längsten an der Volksbühne bis zu seinem Tode am 21. Januar vor 50 Jahren. Besonders in Arbeiter- und Funktionärsrollen hatte er Erfolg, was an seiner vertrauensvollen Ausstrahlung sowie an den vielen kleinen Details lag, mit denen er seine Figuren bereicherte. Bemerkenswert war beispielsweise, wie er 1967 in Kurt Maetzigs Film »Die Fahne von ­Kriwoj Rog« den sozialdemokratischen Bürgermeister glaubhaft in seinem tragischen Zwiespalt spielte. Als intern Hindemiths früheres Nazimitläufertum ruchbar wurde, bemühte er sich doppelt, die Scharte auszuwetzen und wurde u. a. ehrenamtlicher Funktionär der Gewerkschaft Kunst.

Als aufrechter Betriebsdirektor im Parteitagsfilm »Brot und Rosen« (1967) und als proletarischer Onkel des titelgebenden Krause im Fünfteiler »Krupp und Krause« (1969) stand Hindemith vor der Kamera von Horst E. Brandt, der sich die Regie mit Heinz Thiel teilte. Thiel war als Theatermann fürs Szenische zuständig, Brandt, der 1947 als Kameraassistent zur Defa kam und Spielfilmkameramann wurde, führte die optische Regie. Sie entzweiten sich, als sich Brandt mehr Eigenständigkeit wünschte. Dieser Entschluss brachte 1971 einen der besten antifaschistischen Filme der Defa hervor: »KLK an PTX – Die rote Kapelle«. Hier konzentrierte sich Brandt auf die Regie und überließ die 70-Millimeter-Kamera seinem Kollegen Günter Haubold. Zu den bemerkenswerten Arbeiten, die Brandt danach übernahm, zählt der TV-Vierteiler »Eva und Adam« (1973), der im Zeichen der Emanzipation der Frau stand, die Adaption von Franz Josef Degenhardts Roman »Brandstellen« (1977) und der brisante Kriminalfilm »Die Beteiligten« (1989). Brandt, der 2009 starb, wäre am Dienstag 100 Jahre alt geworden.

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