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Aus: Ausgabe vom 18.01.2023, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Wirtschaftsbilanz

KP Chinas macht Wachstum zukunftsfähig

Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um drei Prozent, Binnenmarkt ausgebaut, BRD abhängiger als je zuvor
Von Alexander Reich
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»Mehr in China für China«: Autofabrik von BMW und Brilliance in Shenyang

Das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im vergangenen Jahr um drei Prozent auf 121,02 Billionen Yuan RMB (etwa 17,95 Billionen US-Dollar) gestiegen. Das teilte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Dienstag unter Berufung auf das Amt für Statistik mit. Demnach stagnierte das Wachstum im vierten Quartal im Vergleich zum dritten (gegenüber den Vorjahreszeiträumen sank es von 3,9 auf 2,9 Prozent). Die offizielle Zielvorgabe für das Gesamtjahr von »rund 5,5 Prozent« wurde am Ende deutlich verfehlt. Eine Ursache waren weiträumige Coronalockdowns, die es nun nicht mehr geben soll. Aber für die führende KP hat die Wachstumsmaximierung auch an Bedeutung verloren.

2021 hatte das BIP der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt noch um 8,4 Prozent zugelegt. Doch da war das schwächste Jahr seit 1976 der Maßstab (2020 mit 2,2 Prozent). Und wenn nun das zweitschwächste bilanziert wurde, so lassen Erfolge beim Ausbau und ökologischen Umbau des Binnenmarktes die Zahl in einem anderen Licht erscheinen.

Der Anteil von Elektroautos auf dem größten Pkw-Markt der Welt zum Beispiel stieg 2022, hybride Modelle eingeschlossen, auf 25 Prozent. 2023 dürfte die 30-Prozent-Marke geknackt werden. Das Wachstum übertrifft die Erwartungen der chinesischen Regierung, die es mit Fahrverboten für Verbrenner in größeren Städten gefördert hat, aber vor allem kommen die meisten verkauften Elektroautos inzwischen aus heimischer Produktion, zuerst von BYD. Und während die deutschen Weltkonzerne in diesem Segment den Anschluss schon fast verloren haben, kommen ständig weitere Anbieter aus China hinzu.

Dabei ist dieser Absatzmarkt für die deutsche Autoindustrie unverzichtbar. »Wir dürfen unsere Position in China nicht absichtlich aus politischen Gründen schwächen«, mahnte im Handelsblatt vom Dienstag Ralf Brandstätter, der im VW-Vorstand für China zuständig ist. Der Konzern verkaufte 2022 noch 3,18 Millionen Fahrzeuge nach China, vor allem Verbrenner. Es waren 100.000 weniger als im Vorjahr, ein Neunjahrestief. Um nicht komplett unter die Räder zu kommen, werde VW künftig »mehr in China für China« entwickeln, wie Brandstätter im Düsseldorfer Blatt ankündigte. In der Provinz Anhui werde ein »zweites Hauptquartier« neben dem in Wolfsburg entstehen. Rund 2.500 Ingenieure sollen dort beschäftigt sein. Die Zahl der in China beschäftigten Softwareentwickler des VW-Konzerns soll in diesem Jahr auf 1.200 verdoppelt werden. Ein Befund, den 2019 der damalige VW-Boss Herbert Diess ausgestellt hatte, scheint unverändert gültig: »Die Zukunft von Volkswagen wird sich auf dem chinesischen Markt entscheiden.«

Wenn das Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen) erklärtermaßen an der Unabhängigkeit von China herumwerkelt, ist das ein Ausdruck von Weltfremdheit und Verblendung. Das unterstrich eine Studie, die die Außenwirtschaftsagentur des Bundes namens Germany Trade and Invest (GTAI) am Dienstag vorlegte. Demnach war China 2022 zum siebten Mal in Folge wichtigster Handelspartner der BRD. Der Wert der deutschen Exporte wuchs dabei allerdings unterdurchschnittlich um 3,7 Prozent, während der Wert der Importe aus der Volksrepublik mit 37 Prozent rasant zulegte. Das Handelsdefizit dürfte ein Rekordniveau erreicht haben, wie die GTAI nach Auswertung der Zahlen des Statistischen Bundesamts bis November mitteilte: »Damit steigt die Abhängigkeit von China.«

Ob sich die Bundesregierung auf Druck der Handelskrieger in den USA tatsächlich ins eigene Knie schießt, bleibt abzuwarten. Für die wirtschaftliche Entwicklung Chinas wird diese Entscheidung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Weichen sind Richtung zukunftsfähiges Wachstum gestellt. Und von den 31 Provinzen und Kommunen, die bislang Planziele für 2023 vorgelegt haben, streben die meisten ein Wachstum von mehr als 5,5 Prozent an.

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