Abschied vom Ehemaligen
Von Hansgeorg Hermann
Mit dem Tod des letzten Monarchen Konstantin II. endet für die Griechen ihre entsetzliche Nachkriegsgeschichte. In einem vier Jahre dauernden Bürgerkrieg von März 1946 bis Oktober 1949, dem die Machtübernahme durch die Rechte und das vom Faschismus der 1930er Jahre geprägte Königshaus folgte, war »endgültig das demokratische Potential des Landes« zerstört worden. So beschrieben vom deutschen Historiker Heinz A. Richter 1973 in seinem umfassenden Werk »Griechenland zwischen Revolution und Konterrevolution«. Konstantin, der 1964 im Alter von 23 Jahren den Thron von seinem früh verstorbenen Vater Paul (Pavlos) übernommen hatte, war drei Jahre später – neben der damaligen »Schutzmacht« USA – einer der Garanten für den Erfolg des Militärputsches im April 1967.
»Historische« politische Leistungen, die den Hellenen in den 50er und 60er Jahren geholfen hätten, das Bürgerkriegstrauma oder die Folgen der von Massakern und Hungersnot geprägten deutschen Besatzungszeit zu überwinden, finden sich in Konstantins Vita nicht. Allenfalls erinnern sich ältere Jahrgänge der Bevölkerung an eine Goldmedaille im Segeln, die der Regent aus dem Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg 1960 bei den Olympischen Spielen in Rom unter griechischer Flagge gewonnen hatte. Wie bei seinen Vorfahren beschränkte sich die Ausbildung des Prinzen auf einige Jahre beim Kommiss, wo hohe Offiziersränge für junge Männer aus »gutem Haus« garantiert waren, und einige Seminare an der juristischen Fakultät der Universität Athen.
Einen für die neuere griechische Geschichte relevanten Moment erlebte der junge Monarch gleichwohl. Am 15. Juli 1965 entließ er – wohl auf Druck der USA – den damaligen Regierungschef Georgios Papandreou. Dessen Sohn Andreas, später in den 80er und 90er Jahren Ministerpräsident, galt den US-Amerikanern als Kommunistenfreund. Seinerzeit ein Grund für die in Griechenland als »Juliverräter« berüchtigt gewordenen Minister um den Rechten Konstantinos Mitsotakis – Vater des gegenwärtigen Premierministers Kyriakos Mitsotakis –, die Kooperation mit dem Zentrumspolitiker Georgios Papandreou zu beenden und ihn zwölf Monate später ebenso wie seinen Sohn mit einer grotesken Anklage zu diffamieren: Das Duo Papandreou habe zusammen mit einigen Offizieren einen Staatsstreich gegen Königshaus und Armee vorbereitet.
Einen Putsch erlebten die Griechen sechs Monate später tatsächlich – allerdings organisiert von Militärs um den CIA-Spitzel und Armeeoberst Georgios Papadopoulos auf Grundlage des zur Kommunistenabwehr entwickelten NATO-Plans »Prometheus«. Konstantin, der Olympiaheld von Rom, stand den Obristen zur Seite. Ein halbes Jahr später hatten Papadopoulos, General Stylianos Pattakos, der gleichrangige Giorgios Zoitakis und ihre rund 300 Köpfe zählende faschistische Clique genug vom königlichen Kameraden. Nach einem kläglich gescheiterten Gegenputsch flohen Konstantin und seine Familie am 13. Dezember 1967 in Richtung England aus der Heimat. Die verweigerte ihnen nach dem Zusammenbruch der Diktatur im Juli 1974 die Rückkehr. Bereits im Juli 1973 hatten 78,6 Prozent der Griechen in einer Volksabstimmung die Monarchie abgeschafft.
Der Mann ohne Nachnamen – sein Ausweis bezeichnete ihn als »Konstantin, König der Hellenen« – starb am 10. Januar 2023 in einem Athener Privatkrankenhaus. Als »kraftvollen Widerstandskämpfer« gegen die Junta verabschiedeten den »Teos« (Ehemaligen) am Montag in der Metropolitenkirche der griechischen Hauptstadt sein Sohn und theoretischer Titelerbe Pavlos, höchste kirchliche Würdenträger sowie eine ganze Armee aus Trauergästen vornehmlich aus dem rechten politischen Lager.
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