Warschau macht Druck
Von Reinhard Lauterbach
Polen hat die Bundesrepublik aufgefordert, auch unmittelbar aus Beständen der Bundeswehr Großgerät wie »Leopard«-Panzer an die Ukraine abzugeben. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte bei einem Empfang zum 50. Parlamentsjubiläum des CDU-Politikers Wolfgang Schäuble in Berlin, Panzer und andere schwere Waffen dürften »nicht in den Depots stehen«. Polen hatte sich selbst bereit erklärt, 14 seiner etwa 250 »Leopard«-Panzer an die Ukraine abzugeben. Eine ähnliche Anzahl seiner »Challenger 2«-Panzer hatte Großbritannien Kiew in Aussicht gestellt, aus Finnland hieß es, man sei zur Lieferung von »Leopard«-Panzern aus eigenen Beständen prinzipiell bereit.
Die Bundeswehr verfügt laut Magazin Der Spiegel über 300 »Leopard«-Panzer, von denen aber nur knapp die Hälfte einsatzbereit sei. Für Freitag hat US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zu einem Treffen auf dem US-Stützpunkt Ramstein eingeladen. Es wird erwartet, dass hier weitere Waffenlieferungen an die Ukraine beschlossen werden. US-Generalstabschef Mark Milley, der auch in Ramstein sein wird, wollte am Montag in Grafenwöhr in der Oberpfalz bereits ukrainische Soldaten bei der Kampfausbildung besuchen, wie US-Medien meldeten.
Der »Leopard«-Hersteller Rheinmetall hatte zuvor Hoffnungen auf ein rasches Anlaufen deutscher Panzerlieferungen an die Ukraine gedämpft. Vorstandschef Armin Papperger sagte Bild am Sonntag, selbst wenn in diesen Tagen die politische Entscheidung zugunsten einer Lieferung falle, würde es bis ins kommende Jahr dauern, die Panzer entweder zu produzieren oder gefechtsbereit zu machen. Aus Moskau kam vom Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dmitri Peskow, die Ankündigung, alle an die Ukraine gelieferten westlichen Panzer würden »brennen«. Die russische Botschaft in Berlin kritisierte die sich abzeichnenden Lieferungen als konfliktverlängernd.
In der Ukraine stand zu Wochenbeginn der schwere Raketentreffer in einem Wohnblock in der zentralukrainischen Millionenstadt Dnipro im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Bis zum Montag mittag wurden nach Angaben der Stadtverwaltung 40 Bewohner der Anlage tot geborgen, 35 weitere würden noch vermisst. 75 Personen seien verletzt worden.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij sprach von einem »weiteren Beweis für russischen Terror«. Doch eine Ebene darunter gab es widersprüchliche Angaben über Ziel und Hergang der Attacke. Der Bürgermeister von Dnipro, Boris Filatow, sagte dem US-Sender Radio Liberty, womöglich habe die anfliegende Rakete ein nahegelegenes Wärmekraftwerk treffen sollen. Dass sie in dem Wohnblock eingeschlagen sei, habe mit ihrer geringen Zielgenauigkeit zu tun. Selenskijs Berater Olexij Arestowitsch hatte zuvor erklärt, der Einschlag der Rakete in die Wohnanlage sei durch den Abschuss des Flugkörpers durch die ukrainische Luftabwehr verursacht worden. Dafür musste sich Arestowitsch als »Agent Moskaus« und Drastischeres beschimpfen lassen. Im Unterschied zu seinen sonstigen Darstellungen über die Erfolge der ukrainischen Luftabwehr behauptete das Kiewer Militär am Montag, gegen die eingesetzten Marschflugkörper vom Typ »CH-22« gebe es wegen ihrer hohen Geschwindigkeit keine Abwehrmöglichkeit. Die sei erst gegeben, wenn die Ukraine weitere westliche Waffen erhalte. An dieser Stelle widersprechen sich die Kiewer Aussagen: Bei früheren Angriffen mit diesem Raketentyp will die Ukraine 2022 nach eigenen Angaben durchaus Abschusserfolge erzielt haben.
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Feuer frei für Kiew
Eines ist für uns ganz sicher richtig, wie es Sevim Dagdelen in der Podiumsdiskussion deutlich ausgesprochen hat. Ein Antikriegs- und Friedensbündnis, das den dritten Weltkrieg derzeit noch verhindern könnte, das hat nur eine Chance, mit politisch übergreifenden lauten aktions- und proteststarken Forderung gegen die Sanktionen und für Verhandlungen, Diplomatie mit Russland auf der Basis der Anerkennung der Sicherheitsinteressen beider Seiten.
Das hätte das Verbindende und alle, die dem nicht zustimmen, die dürfen als jene gesehen werden, die keine Ukraine befreien wollen, die keinen Frieden wollen, die auf Unterwerfung und Sieg über Russland setzen. Über diesen Weg kann zudem sichtbar gemacht werden, wie Russland oder die westliche Welt an Friedenslösung interessiert ist, was beide Seiten unterscheidet.