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Aus: Ausgabe vom 16.01.2023, Seite 8 / Ansichten

Ausbeutung am Limit

Superreiche als Krisengewinner
Von Sebastian Edinger
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Abfallverwerter auf einer Mülldeponie in Buenos Aires (Oktober 2022)

Es ist mal wieder Weltwirtschaftsforum – und damit auch Zeit für die routinegemäße Vorlage eines Oxfam-Berichts zur sozialen Ungleichheit auf der Welt, der wieder einmal anhand drastischer Zahlen zeigt, dass die Wohlstandsverteilung noch polarisierter ist als im Jahr zuvor. »Die Reichen werden immer reicher; die Armen immer ärmer«, – eine Aussage, die seit Jahrzehnten gültig ist. Und im Zeitalter des multiplen Dauerkrisenkapitalismus nimmt die Ungleichheit immer rasanter zu. Die Krisen werden nicht nur häufiger, sondern auch heftiger, und immer sind es die Schwachen, die die Zeche zahlen, während sich die Starken schamlos weiter bereichern.

Diesmal liest sich der Oxfam-Report so: Seit 2020 hat das reichste Prozent der Weltbevölkerung rund zwei Drittel des globalen Vermögenszuwachses kassiert (63 Prozent). Derweil leben 1,7 Milliarden Beschäftigte in Ländern, in denen die Lohnentwicklung die Inflation nicht ausgleicht, die Löhne also schrumpfen. Der Schuldendienst der ärmsten Länder übersteigt deren Gesundheitsausgaben um das Vierfache. Und 828 Millionen Menschen – zehn Prozent der Weltbevölkerung – leiden an Hunger. Besonders fette Profite haben derweil die internationalen Energie- und Lebensmittelkonzerne gemacht, woran sich sehr schön zeigen lässt, wie im Rahmen der kapitalistischen Weltordnung das Leid des einen der Profit des anderen ist.

Übrigens hat die Geldelite der BRD dem Bericht zufolge besonders leidenschaftlich zugegriffen: Während weltweit 63 Prozent des Vermögenszuwachses an das Top-1-Prozent gingen, waren es hierzulande stolze 81 Prozent. Das haben die hiesigen Spitzenkapitaleigner zu großen Teilen dem Corona- und dann dem Energiekrisenmanagement der jeweiligen Bundesregierung zu verdanken. Von wegen, man bekommt kein gutes Personal mehr. Über die Leistung der politischen Funktionsebene im Kanzleramt und den Ministerien können sich die Mächtigen dieses Landes kaum beschweren.

Nur, was tun? Die Polarisierung nimmt immer weiter zu – immer obszönerer, zerstörerischer Reichtum für einige wenige auf der einen; immer dramatischere, leidvollere Armut für die Massen auf der anderen Seite. Ist es da zielführend, immer wieder zu den Mächtigen nach Davos zu fahren, die neuesten Zahlen zu präsentieren und mehr Steuergerechtigkeit sowie höhere Gesundheits- und Bildungsausgaben zu fordern? Es hat sich eine Art Skandalroutine eingestellt: noch mehr Elend, noch mehr hungernde Kinder? Alles wie immer.

Derweil merken die in den Schweizer Alpen versammelten Weltenlenker selbst, wie sehr ihr globalisiertes Ausbeutungssystem an seine Grenzen stößt. Im alljährlichen Risikobericht des Forums stehen diesmal im Top-Risiko-Ranking die steigenden Lebenshaltungskosten auf Platz eins – sicherlich nicht aus Sorge um das Wohlergehen jener, die davon am stärksten betroffen sind. Sondern aus Angst vor den Konsequenzen ihrer Not und ihres Zorns.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinz K. aus München (16. Januar 2023 um 09:51 Uhr)
    Ich glaube nicht, dass die in Davos versammelten Weltausbeuter Angst vor Konsequenzen haben und schon gar nicht werden sie zugeben, dass ihr System an Grenzen stößt. Die scheinheilige Erwähnung der steigenden Lebenshaltungskosten im »Top-Risiko-Ranking« ist nur eine Nebelkerze oder Beruhigungspille – gedacht wohl vor allem für die brav zum Befehlsempfang anreisenden »Staatsoberhäupter«, die dann ihren ausgebeuteten Völkern nach der Rückkehr verkünden können: »Schaut doch mal, der WEF kümmert sich doch um euch, er macht sich Sorgen um die steigenden Lebenshaltungskosten!« Mehr Heuchelei geht wohl kaum noch.

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