Wort halten
Von Dieter Reinisch
Nachdem Verhandlungen mit der britischen Regierung und den Unternehmen keine Einigungen brachten, weiten die Gewerkschaften ihre Arbeitskämpfe aus: Am 1. Februar ruft der Gewerkschaftsdachverband TUC zu einem Aktionstag gegen das Antistreikgesetz der konservativen Regierung auf. Und die Gewerkschaft der Beamten und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, PCS, wird zum 1. Februar einen eintägigen Streik organisieren, nachdem in einer Mitgliederabstimmung das notwendige Mandat ausgestellt wurde.
Deutliche Eskalation
Es handle sich um den »größten Streik im öffentlichen Dienst seit Jahren«, hieß es in einer Pressemitteilung der PCS vom Mittwoch abend. Die Gegenseite habe »eine deutliche Eskalation der Arbeitskampfmaßnahmen« nötig gemacht, und das »nach einem Monat massenhafter Streiks« für bessere Löhne und Arbeitsplatzsicherheit. Die PCS fordert Gehaltserhöhungen von zehn Prozent, Rentengarantien und den Verzicht auf kürzere Kündigungsfristen.
Rund 100.000 PCS-Mitglieder und zahlreiche Kolleginnen und Kollegen werden in sämtlichen Bereichen des öffentlichen Diensts am 1. Februar in einen 24stündigen Ausstand treten. Die Aktion wird mit anderen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes koordiniert: 33.000 Mitglieder anderer Beschäftigtenorganisationen werden sich dem Streik anschließen.
Nach Angaben des britischen Statistikamts gibt es derzeit rund 480.000 Vollzeitbeschäftigte im öffentlichen Dienst. Etwa ein Drittel wird in 124 Dienststellen landesweit die Arbeit niederlegen. Von den Arbeitskämpfen sind unter anderem Ministerien, Behörden, Pensionsversicherungen, Küstenwache, das Gesundheitswesen und Grenzkontrollstellen betroffen.
Zuletzt organisierte die PCS über Weihnachten Arbeitsniederlegungen der Grenzbeamten an mehreren Flughäfen, Seehäfen und bei Eurostar. Damals setzte die Regierung Soldaten als Streikbrecher ein. Bis Dienstag hatten über mehrere Wochen die Angestellten der Führerscheinstellen gestreikt – auch sie sind bei der PCS organisiert.
PCS-Generalsekretär Mark Serwotka sagte am Mittwoch gegenüber der BBC: »Wir haben die Regierung gewarnt, dass die Auseinandersetzungen eskalieren werden, wenn sie uns nicht zuhören. Wir halten unser Wort.«
Um sich für längere Arbeitskämpfe zu wappnen, legt die PCS derzeit einen neuen Streikfonds auf. Mit ihm sollen monatelange Ausstände finanziert werden können. Die Mitglieder wurden aufgefordert, fünf Pfund Sterling pro Monat in den Fonds einzuzahlen.
Die Ankündigung der PCS-Streiks fiel mit einer Debatte des Antistreikgesetzes im britischen Parlament zusammen. Zu diesem Gesetzentwurf teilte die PCS am Dienstag mit: »Die Regierung arbeitet gegen die Gewerkschaften und ist nicht bereit, vernünftig zu verhandeln. Sie konzentriert ihre Energie statt dessen darauf, die Streikmöglichkeiten der Beschäftigten weiter einzuschränken.« Eine Reaktion darauf ist der erwähnte »Tag zum Schutz des Streikrechts« des Dachverbandes TUC. Generalsekretär Paul Nowak versprach: »Am 1. Februar wird es landesweit Proteste gegen dieses widerliche neue Gesetz geben.«
Nicht auf Anwälte verlassen
Im Gespräch mit jW sagte das Leitungsmitglied der Post- und Telekomgewerkschaft CWU, Luke Elgar, am Donnerstag, das Gesetz und die Verhandlungsblockade seien ein koordinierter Angriff der Regierung auf die Arbeitervertreter: »Die konservative Ideologie der Regierung ist: Keine Verhandlungen mit Gewerkschaften.« Selbstverständlich werde es Klagen gegen das Gesetz geben: »Wir können uns aber nicht auf Anwälte verlassen. Wir müssen selbst auf die Straße gehen. Die Menschen sind wütend auf die Regierung und wegen der Explosion der Lebenshaltungskosten. Sie werden sich diesmal nicht stoppen lassen.«
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