Krieg auch zu Weihnachten
Von Reinhard Lauterbach
Die von russischer Seite aus Anlass des orthodoxen Weihnachtsfests am Freitag ausgerufene Waffenruhe ist zumindest nicht durchgehend eingehalten worden. Die Ukraine hatte den Vorschlag des orthodoxen Moskauer Patriarchen Kirill von Anfang an abgelehnt, weil Kirill »russische Kriegspropaganda« betreibe. Der russische Präsident Wladimir Putin war dagegen seinem Aufruf gefolgt und hatte von Freitag zwölf Uhr (Ortszeit) bis Sonnabend mitternacht eine Feuerpause angeordnet.
Ukrainische Soldaten im Donezker Gebiet eröffneten jedoch das Feuer auf Stellungen der russischen Truppen. »Auf diese Weise gratulieren sie den Besatzern zum bevorstehenden Weihnachten!«, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew am Freitag in sozialen Netzwerken mit. In der Kleinstadt Bachmut seien russische Stellungen mit 120-Millimeter-Mörsergranaten als »Geschenk« beschossen worden. Die Behörden wiederum verhängten während der Feuerpause für circa zwei Stunden einen Luftalarm im ganzen Land. Auslöser sollen nach Medienberichten mehrere über dem benachbarten Belarus aufgestiegene Flugzeuge der russischen Luftwaffe gewesen sein.
Die ukrainische Vizeregierungschefin Irina Wereschtschuk warnte die Gläubigen in den russisch kontrollierten Gebieten davor, Gottesdienste zu besuchen. Es könne zu »Terroranschlägen« kommen. Die Gläubigen sollten »warten, bis die ukrainischen Streitkräfte da sind«. In diesem Fall ist allerdings mit einer Verfolgung der bis 2022 am Moskauer Patriarchat orientierten orthodoxen Kirche der Ukraine zu rechnen. In den vergangenen Monaten durchsuchten Geheimdienst und Polizei in der Ukraine Dutzende von Gotteshäusern und Klöstern dieser Kirche. Zum Jahreswechsel wurde ihr der Mietvertrag über die Nutzung des berühmten Höhlenklosters in Kiew zugunsten der regierungsnahen Ukrainisch-Orthodoxen Kirche aufgekündigt.
Angesichts öffentlich verkündeter Siegeszuversicht auf ukrainischer Seite fiel die am Freitag veröffentlichte Tagesmeldung des britischen Geheimdienstes zur Lage auf. Die Analysten aus London schrieben, die »Separatistengebiete« Donezk und Lugansk würden für Russland »auch noch über die Dauer des aktuellen Konflikts hinaus« eine große finanzielle Belastung darstellen. Diese Aussage unterstellt, dass man beim MI6 wohl nicht damit rechnet, dass Kiew die Gebiete zurückerobern wird.
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Leserbrief von Wilfried Schubert aus Güstrow ( 9. Januar 2023 um 13:48 Uhr)Statt auf eine friedliche Lösung zu setzen, liefert Deutschland mehr sowie modernere Waffen an die Ukraine. Es erhöht damit die allgemeine Kriegsgefahr. Allein die elf Atommächte verfügen über 13.400 nukleare Sprengköpfe, ausreichend, um 150mal die Existenz der Menschheit zu beenden. Mit der Entscheidung, 35 Kampfflugzeuge vom Typ »F-35« von den USA zu kaufen, hält die Bundesregierung an ihrer Politik atomarer Teilhabe fest. Die in Büchel stationierten US-amerikanischen Atombomben machen Deutschland zum Ziel russischer Raketen. Die Regierung sollte den Appell der Göttinger Atomforscher von 1957 berücksichtigen, der sich gegen die Pläne Adenauers, die Bundeswehr atomar auszurüsten, richtete. Die atomare Teilhabe Deutschlands verstößt gegen den Atomwaffensperrvertrag, den Deutschland 1976 unterschrieb. Am 26. März 2010 beschloss der Bundestag, parteiübergreifend, dass die Regierung von den USA, den Abzug ihrer Atomwaffen aus Büchel fordern soll. Der Bundestag fasste leider nur einen »schlichten«, keinen »echten« Beschluss. Der »schlichte« ist rechtlich nicht verbindlich. Dass die Ampelkoalition auf dem Papier für nukleare Abrüstung und Atomwaffenfreiheit ist, in der Praxis aber moderne Atombomber für modernisierte US-Atombomben kauft, ist wohl schizophren. Wir sollten alles für Frieden auf Erden unternehmen (…).
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Leserbrief von Wolfgang Schmetterer aus Graz ( 7. Januar 2023 um 11:00 Uhr)An dieser »weihnachtlichen Begebenheit« lässt sich gut erahnen, was passierte, würde Russland von sich aus den Krieg beenden, wie immer wieder gefordert wird. Die ukrainischen faschistisch grundierten Verbände würden mit ihren Angriffen weitermachen und die Bevölkerung im Donbass terrorisieren wie in den vergangenen acht Jahren – immer begleitet von zynischen Parolen und Kommentaren aus Kiew. Das ist das Problem mit Faschisten: Sie hören nie auf, selbst wenn das eigene Volk dabei zugrunde ginge – wenn es sein müsste, sogar in einem »Volkssturm«.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart ( 6. Januar 2023 um 21:11 Uhr)Medial wirksam und politisch geschickt verkündete Putin für die in der Mehrheit in der Ukraine lebenden Orthodox-Gläubigen eine einseitige Waffenruhe an den Weihnachtsfeiertagen. Abermals eine einseitige Waffenruhe, Luftangriffe finden währenddessen nicht statt. Dass sich das ukrainische Militär daran nicht beteiligt, wurde öffentlich – sehr ungeschickt von einem, medial geschickten, jedoch nicht orthodoxen Präsidenten – sofort bestätigt. Was mich aber über diese Verkündigungen hinaus in den Berichterstattungen geärgert hat, ist, dass – sowohl in der Tagesschau als auch in der jW (im Untertitel dieses Artikels) – irreführend über Luftalarm im ganzen Land berichtet wird. Fakt ist weder bombardiert wurde, noch gab es Luftangriffe, die Orthodoxie ist Heilig! Die Nachricht vom Luftalarm suggeriert fälschlicherweise, dass Putin »wieder mal« kein Wort hält. – Eine journalistische Unzulänglichkeit!
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