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Aus: Ausgabe vom 04.01.2023, Seite 6 / Ausland
EU-Grenzregime

Druck auf Seenotretter

Italien: Neues Dekret begrenzt Einsatzkapazität und droht hohe Strafen an
Von Ina Sembdner
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Vom Willen Roms abhängig: Die »Humanity 1« durfte vor zwei Monaten nur Kinder und Kranke an Land bringen (Catania, 7.11.2022)

Im vergangenen Jahr sind mehr als 103.000 Asylsuchende in Italien angekommen – 55 Prozent mehr als im Vorjahr. Anlass für die neue ultrarechte Regierung unter Giorgia Meloni, die Bedingungen für Seenotrettungsorganisationen deutlich zu verschärfen. Nachdem die Schiffe mit den aus Seenot Geborgenen bislang tage-, wenn nicht wochenlang unter widrigsten humanitären Bedingungen auf dem Mittelmeer ausharren mussten, bis ihnen ein nach internationalem Seefahrtsrecht zustehender sicherer Hafen zugewiesen wurde, sind sie nun angehalten, bereits nach der ersten Rettungsaktion in Italien anzulanden. »Ärzte ohne Grenzen« (Médecins Sans Frontières, MSF) schrieb dazu auf Twitter, dass man nun gezwungen sei, »die Rettungszonen unbewacht zu lassen, was unweigerlich zu einem Anstieg der Zahl der Todesfälle führen wird«.

Neben diesem wohl von Rom intendierten »Kollateralschaden« zieht das neue Gesetz auch verschärfte Repressionen gegen die Seenotretter nach sich. So schränkt das am 28. Dezember 2022 in Kraft getretene Dekret nicht nur die Einsatzkapazitäten ein, sondern droht Bußgelder bis zu 50.000 Euro an. Außerdem sollen die Hilfsorganisationen bereits auf dem Schiff asylrechtliche Verfahren übernehmen. Das Dekret verlangt, dass die Schutzsuchenden an Bord angeben, ob sie Asyl beantragen wollen, und vor allem, in welchem Land der EU sie dies tun wollen. Erst dann sollen sie die Anträge ausfüllen. In der Praxis bedeutet dies, dass das Land, unter dessen Flagge das Rettungsschiff fährt, für die in Seenot Geratenen zuständig ist, wenn sie nicht Italien als ihr Asylland angeben, so die italienischen Behörden.

Für »Ärzte ohne Grenzen« trat am Montag gleich der Ernstfall ein. Die von MSF unterhaltene und unter norwegischer Flagge fahrende »Geo Barents« sollte mit 85 Geretteten an Bord das süditalienische Tarent ansteuern. Auf dem Weg erreichte MSF die Meldung der »Alarm-Phone«-Initiative, dass sich ein Boot auf ihrer Route in Schwierigkeiten befinde. »Ärzte ohne Grenzen« bat daraufhin nach Angaben ihres Sprechers Maurizio Debanne unmittelbar die italienischen Behörden um die Erlaubnis, zu helfen, bekam jedoch keine Antwort. »Wenn wir das Boot finden und die Rettung ohne Erlaubnis vornehmen, könnte Italien theoretisch sagen, dass wir das neue Gesetz gebrochen haben«, sagte Debanne. Die Crew der »Geo Barents« half dennoch. Zuvor hatte Rom die Organisation in einem Fall direkt angewiesen, nicht zu helfen. Begründung: Der Vorfall werde »von Libyen gesteuert«, also jener sogenannten Küstenwache, die mit EU-Geld aufgerüstet wird und keine Hemmungen hat, ihre Waffen auf Seenotretter zu richten, wie verschiedene dokumentierte Fälle bezeugen.

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