Färöer wählen rot
Von Gabriel Kuhn
Auf den Färöern steht ein Regierungswechsel bevor. Aus den am Donnerstag abgehaltenen Parlamentswahlen im »Autonomen Gebiet des Königreichs Dänemark«, dessen 54.000 Einwohner sich auf 17 Inseln im Nordatlantik verteilen, gingen die Sozialdemokraten mit 26,6 Prozent als stärkste Kraft hervor. Die Wahlbeteiligung lag bei 88 Prozent. Die Färöer haben traditionell eine der höchsten Wahlbeteiligungen Europas.
Der Parteivorsitzende der Sozialdemokraten, Aksel V. Johannesen, wird aller Wahrscheinlichkeit nach den Posten des Ministerpräsidenten übernehmen, den er bereits von 2015 bis 2019 innehatte. Damals regierten die Sozialdemokraten mit der liberalen Fortschrittspartei und den Republikanern, einer sozialistischen Unabhängigkeitspartei. Eine solche Koalition wäre auch dieses Mal möglich, nachdem die seit 2019 regierenden konservativen Parteien ihre Mehrheit im 33köpfigen Parlament verloren haben.
Die vorgezogenen Parlamentswahlen waren erst vor einem Monat angekündigt worden. Der Grund war eine Krise in der konservativen Koalitionsregierung. Der Vorsitzende der Christdemokraten, Jenis av Rana, wurde von Ministerpräsident Bárður á Steig Nielsen, Vorsitzender der prodänischen Unionspartei, als Außen- und Kulturminister abgesetzt. Daraufhin zogen sich die Christdemokraten aus der Regierungskoalition zurück. Anlass für die Absetzung av Ranas war dessen Weigerung, ein Gesetz zu verabschieden, das gleichgeschlechtlichen Eltern mehr Rechte zukommen lässt. Die Ansichten av Ranas zur Homosexualität sind seit langem kontrovers. Im Jahr 2010 weigerte er sich, anlässlich des Staatsbesuchs der damaligen isländischen Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurðardóttir an einem Abendessen teilzunehmen, zu dem auch deren Ehefrau geladen war. Homosexualität ist nicht das einzige Reizthema auf den Färöern, die im 9. Jahrhundert von Norwegen aus besiedelt wurden und deren Kultur stark christlich geprägt ist. Auch das seit 1956 unveränderte Abtreibungsrecht ist rigide.
Weit mehr Einigkeit besteht bei den färöischen Parteien in einer Frage, die in Dänemark und der gesamten Europäischen Union Empörung hervorruft. Es geht um das Fischfangabkommen mit Russland, das noch zu Zeiten der Sowjetunion, 1977, unterzeichnet wurde. Erst vor knapp zwei Wochen wurde es bei nur einer Gegenstimme vom Parlament in Tórshavn verlängert. Das Abkommen erlaubt es färöischen Fischern mit ihren Booten in russischen Gewässern Thunfisch zu fangen, während russische Fischer Lachse aus färöischen Gewässern fischen dürfen.
Politiker Dänemarks und anderer EU-Staaten sehen darin eine Verletzung der von der EU aufgrund des Ukraine-Krieges gegen Russland verhängten Sanktionen. Auf den Inseln zeigt man sich davon unbeeindruckt. Politiker aller Parteien verweisen darauf, dass die Färöer aufgrund ihres Autonomiestatus nicht an EU-Beschlüsse gebunden seien. Außerdem handle es sich nicht um ein Handelsabkommen. Und selbst wenn es sich um ein Handelsabkommen handeln würde, so seien Lebensmittel ausdrücklich von den EU-Sanktionen ausgenommen. So mancher auf den Färöern reagierte stark auf die mahnenden Zeigefinger aus Kopenhagen und Brüssel. In einem Brief an die linke dänische Tageszeitung Information formulierte ein Leser: »Nicht Russland ist der Feind der Färöer, sondern die EU und ihre Mitgliedsländer.«
Die Parlamentswahlen auf den Färöern fanden nur einen Monat nach den vorgezogenen Parlamentswahlen in Dänemark statt. Im dänischen Parlament sind die Färöer mit zwei Abgeordneten vertreten, von denen traditionell einer aus dem sozialdemokratischen und einer aus dem konservativen Lager stammt.
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