Wille und Panzer
Von Arnold Schölzel
Zu langsam, zuwenig, zu schlapp: Bei Aufrüstung und im Ukraine-Krieg geht es nicht voran. Symbolischer Kleinkram wie das von Bündnis 90/Die Grünen ertüftelte »Holodomor«-Märchen reicht nicht – für den Sieg über Russland müssen Panzer rollen. Redakteur Reinhard Müller schreibt daher in der FAZ am Freitag: »Es klingt für deutsche Ohren übertrieben, geradezu unziemlich, aber ganz falsch liegt der NATO-Generalsekretär nicht: Eine starke und bereite Bundeswehr ist nach Stoltenbergs Worten wichtig nicht nur für Deutschlands und Europas Sicherheit, sondern auch für die ›weltweite Sicherheit‹.«
Aber warum zum Teufel ist die Armee nach 1991 dann so »vernachlässigt« worden? Müller hat eine Antwort aus dem preußisch-deutschen Fundus »stramme Haltung« und frei nach Leni Riefenstahls NSDAP-Parteitagsdoku »Triumph des Willens« von 1935. Man soll bewährte Traditionen pflegen. Müller: »Es hat nicht unbedingt an Geld und Reformen gefehlt, wohl aber am klaren Willen, die eigenen Interessen und den daraus folgenden Auftrag zu definieren – und alles, auch die zivile Verwaltung, darauf auszurichten.« Wenn der Mensch sagt, er kann nicht, dann will er nicht – die philosophische Auskunft des deutschen Hass- und Kriegsbürgers. Das gilt als Idealismus und damit überlegene Kultur.
In der schlaffen Demokratie hierzulande ist nach dem Urteil des FAZ-Mannes kein Kriegswille erkennbar. Was sollen »Zeitenwende« und 100 Milliarden Euro Sondervermögen, wenn weder Munition noch Waffen in Massen kommen? Am Montag hatte FAZ-Parlamentskorrespondent Peter Carstens bereits berichtet: »Die Armee ist immer noch blank.« Das »blank« hatte Heereschef Alfons Mais am Abend des 24. Februar getwittert. Und nun, neun Monate später, hat sich laut Carstens nichts geändert: »Ja, das Parlament hat einen Kredit von 100 Milliarden Euro gebilligt. Das Ministerium musste die Beschaffungsliste allerdings stark kürzen, weil Zinsen, Währungsverluste und Inflation nicht eingerechnet waren. (…) Inzwischen ist die Kaufkraft des 100-Milliarden-Kanzler-Versprechens auf etwa 85 Milliarden gesunken.« Vier Wochen vor Jahresende sei nun »herausgekommen: Es wurde bisher praktisch nichts bestellt.« Also fragt Carstens: »Will die Ministerin und einstige Funktionärin der Parlamentarischen Linken vielleicht gar keine Kampfkraft für die Streitkräfte?« Täuschen die Sozen Willen zum Krieg nur vor?
Wie schön, dass der Kanzler am Donnerstag dem NATO-Generalsekretär ankündigte: »Und, lieber Jens, die Bundeswehr wird ihren Einsatz zum Schutz des Bündnisgebietes weiter steigern: Von 2025 an ist geplant, der NATO 30.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft zur Verfügung zu stellen.« Damit lässt sich einiges anrichten, auch weltweit. Außerdem gestand Olaf Scholz die Munitionsmisere freimütig ein und schob nicht wie sein Koparteivorsitzender Lars Klingbeil alle Schuld der deutschen Industrie zu. Scholz am Donnerstag: »Wir haben in den letzten Jahrzehnten falsche Weichen gestellt, wenn es um die Munitionsversorgung der Bundeswehr geht. (…) Die Verteidigungsministerin ist jetzt sehr engagiert dabei, diese Missstände der letzten Jahrzehnte zu beseitigen.«
Das reicht dem um die FAZ gescharten Stahlhelmverband – Generalität, Rüstungskonzerne und Durchhaltepolitiker – selbstverständlich nicht. Müller: »Die Angst der Regierung, Leopard-2-Panzer könnten, würden sie denn geliefert, zu wirksam sein oder zu Propagandazwecken missbraucht werden, spricht Bände. Es fehlt die Einsicht, dass sich auch Deutschland in einem Kampf zur Verteidigung seiner Freiheit befindet.« Denn der Russe kommt, da helfen nur noch Panzer. Sagen Anton Hofreiter und sein grüner Anhang schon lange. Die haben den Willen.
In der schlaffen Demokratie hierzulande ist FAZ-Mann Müller zufolge kein Kriegswille erkennbar. Was sollen »Zeitenwende« und 100 Milliarden Euro Sondervermögen, wenn weder Munition noch Waffen in Massen kommen?
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