Eine Bubble ist keine Wolke
Von Pierre Deason-Tomory
Freitag, 16 Uhr, Südkorea – Portugal
Freitag, 16 Uhr, Ghana – Uruguay
Worauf man sich beim Fußballfernsehen verlassen kann, das ist die eigentümliche Performance mancher Kommentatoren und Moderatoren. Beruhigend, dass die keinen wichtigen Job haben, als Busfahrer würde Tom Bartels dreimal täglich in eine Hausmauer einparken. Wenigstens ist der Kahn dieses Mal nicht dabei, er meldet sich trotzdem: »Eier sind in solchen Spielen schon hilfreich.« Gebt ihm eine Banane dazu.
Kahns Studiogespräche mit Katrin Müller-Hochdasbein seinerzeit waren nur ohne Ton zu ertragen, aber KMH hat sich gebessert, finde ich. Früher interviewte sie Spieler in einer Art, wie man das mit einer Zufallsbekanntschaft morgens um drei an der Bar tut, wenn einer schon die Gummis aus dem Automaten geholt hat. Diesen Part hat die gnietschende Jessy Wellmer übernommen. Zu Sami Khedira: »Über deine Figur reden wir später, höhö …«
Almuth Schult dagegen: kompetent, eloquent, frech und mit Sinn für Humor. Sie sollte lebenslänglich »Sportstudio« kriegen. Ebenfalls unterhaltsam die Englischkenntnisse eines Feldreporters (»Nau ju häf luust …«), der eine Bubble für eine Wolke hält. Hat vielleicht Ahnung vom Tuten, nicht aber von Blasen.
ZDF-Experte Sandro Wagner spielte auch mit seinen »Cojones«, wurde vom Sender aber gerüffelt wegen einer echt harmlosen Bemerkung (»katarische Bademäntel«). Dürfen wir uns nicht auch totlachen, wenn wir Bayerns Müller-Beine in Lederhosen sehen? Der Ärger der Iraner über Klinsmann dagegen (»Es ist Teil ihrer Kultur«) ist berechtigt. So etwas gehört an den Stammtisch einer nach Urin stinkenden Faschokneipe.
Während die Humorpolizei Bademäntel auf die Goldwaage legt, grassiert in Katar wie bei jeder WM ungehemmter Nationalismus. Als die Japaner dabei waren, gegen Costa Rica zu verlieren, erschrak ich vor fanatisch verzerrten Zuschauergesichtern unter Samurai-Stirnband und fürchtete, die Irren stürmen gleich das Feld und machen die Südamerikaner kalt. Die schwarz-rot-goldene Schlandbesoffenheit 2006 war für mich ein Alptraum. Das Eröffnungsspiel gegen Costa Rica (4:2) hatte ich in Milledgeville geschaut, mit meinem geliebten amerikanischen Onkel Paul in seinem Wohnzimmer sitzend. Er konnte nicht verstehen, warum ich nicht auf »meine« Deutschen setze.
Er war auch für die Reize des Spiels nicht empfänglich: »Die rennen die ganze Zeit rauf und runter, aber nie passiert was. Die haben keinen Plan!« Warum sie nicht zu Beginn eines Angriffs einen »Huddle« machen, diese Rudelbildung beim Football, bei der der Quarterback den Mitspielern den Spielzug ansagt. Es war gegen Mittag, und beim Wort »Huddle« guckten wir uns an, standen auf und fuhren, um ein zweites Frühstück einzunehmen, zu »Huddle House« auf der Südseite, ein Restaurant, das auch »Greasy Spoon« (Schmieriger Löffel) genannt wird. »Haben Sie ein paar Huddles für mich?« – »Natürlich, Mister Paul. Spiegel-Huddles oder Rühr-Huddles?« Ich vermisse ihn so sehr.
Zu Tag zwei in der Rambazambagruppe H. Ghana hielt dreimal drauf und machte jeden rein, während sich die übermotivierten Kims gegenseitig abschossen (3:2). Nach Schlusspfiff wollten sie den Schiedsrichter verprügeln, weil der nicht zwanzig Minuten nachspielen ließ. Das halbzeitweise ausgeglichene Match zwischen Portugal und Uruguay (2:0) entschied der Spielleiter per Handelfmeterpfiff. Ein Spieler hatte sich beim Hinfallen mit der Hand abgestützt, damit er sich nicht die Schulter auskugelt, und dabei den Ballon berührt. Und wer schafft es in Achtelfinale? Mein Fußballsachverständiger Alex sagt: Portugal und Ghana.
Südkorea – Portugal 2:3
Ghana – Uruguay 1:1
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