Knappe Mehrheit
Von Thomas Berger
Nach der Wahl ist vor der Auszählung. Am 20 November war in Nepal abgestimmt worden, in den nächsten Tagen wird mit dem endgültigen Endergebnis gerechnet. Doch schon jetzt zeichnet sich ab: Die bisherige »Mitte-links«-Koalition kann mit knapper Mehrheit weitermachen. Der politische Wille dazu wurde bereits von verschiedenen Vertretern bestätigt.
Erst fünf Jahre ist es her, seit die linke Allianz aus der KP Nepal/Vereinigte Marxisten-Leninisten (CPN-UML) und der KP Nepal/Maoistisches Zentrum (CPN-MC) einen triumphalen Sieg einfuhr und den liberalen Nepal-Kongress (NC) schlug. Das Bündnis aus CPN-UML und CPN-MC holte eine Zweidrittelmehrheit, im April 2018 folgte auch die organisatorische Wiedervereinigung der Kommunistischen Partei. Allerdings hielt die neue Eintracht nur bis kurz vor Jahresende 2020, als sich der damalige Premier K. P. Sharma Oli (UML) und der als Koparteichef intern gleichberechtigte Pushpa Kamal Dahal endgültig entzweiten und Oli versuchte, Neuwahlen zu erzwingen. Dies stoppte im Februar 2021 das höchste Gericht des Landes, da die Maßnahme verfassungswidrig sei. Allerdings annullierten die Obersten Richter kurz darauf auch die kommunistische Wiedervereinigung. Im Mai 2021 wurde Oli bei einer Vertrauensabstimmung gestürzt.
Nach der erneuten Trennung blieb die UML deutlich stärkste Kraft. Als nun Oppositionsführerin brachte sie es auf 98 Sitze – der liberale NC des neuen Premiers Sher Bahadur Deuba nur auf 61. Als wichtigster Mehrheitsbeschaffer dienten ihm die Maoisten mit ihren 53 Mandaten.
Bei der aktuellen Wahl hat sich die UML, gegen die die Regierungskoalition unter Einschluss dreier kleinerer Partner als Wahlbündnis antrat, als stimmenstärkste Partei behauptet, auch wenn sich nach Sitzen am Ende der NC knapp an der Spitze behaupten wird. Er holte 53 der bisher ausgezählten 151 von 165 Wahlkreisen, in dreien liegt er vorn. Ebenfalls noch drei Direktmandate könnte die UML zu ihren schon 39 gewonnenen addieren. Deutlich abgesackt sind die Maoisten. Mit 17 sicheren, am Ende wohl 18 Direktmandaten bleibt die CPN-MC zwar drittstärkste Kraft. Die von Ex-UML-Kadern um den mehrfachen Expremier Madhav Kumar Nepal, die Oli aus der Partei gedrängt hatte, im Vorjahr formierte CPN-Unified Socialist (CPN-US) könnte zehn Wahlkreise holen und darf dank reichlich Stimmen auf eine gute Zahl ergänzender Sitze nach Parteilisten hoffen.
Was all den Vorgenannten gleichermaßen Sorgen bereiten dürfte, ist der Erfolg der Rastriya Swatantra Party (RSP), die erst anderthalb Monate alt ist und noch kein klares Profil hat. Vielen Wählern schien das egal zu sein. Sie machten ihr Kreuz bei der RSP, die mindestens sieben Wahlkreise holte. In gleicher Weise erlebte die royalistische RPP, die zuletzt mit nur einem Abgeordneten ein Nischendasein gefristet hatte, mit sechs sicheren Sitzen eine Renaissance. Insgesamt hat eine größere Zahl Parteien als bisher Mandate errungen. Das Regieren wird für Deuba und Dahal, die sich nach einem Treffen am Sonntag zur Fortsetzung des Bündnisses bekannten, dadurch erschwert.
Zumal die Herausforderungen groß sind: Die mehrheitlich arme Bevölkerung leidet unter stark gestiegenen Preisen für Waren des täglichen Bedarfs, die Wirtschaft schwächelt. Hinzu kommt ein eingetrübtes Verhältnis zum südlichen Nachbarn Indien, das Deuba bei seinem Antrittsbesuch in Delhi Anfang April zu normalisieren versucht hatte. Nepal ist auf gute Beziehungen angewiesen – zu China und zu Indien.
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