Rotlicht: FIFA
Von Ken Merten
Darüber herrscht Einigkeit: Die FIFA ist ein schlimmer Finger. Sie ist so sehr von Raffgier geprägt, dass sie sich um die Welt nicht schert, außer wenn es darum geht, sie zu schröpfen. Man mag sich an die »Umbrella Corporation« des Film-Franchise »Resident Evil« erinnert fühlen, die die Welt im Turnus in Zombieapokalypsen stürzt, man aber unsicher bleibt, ob das militärisch-industrielle Riesenunternehmen all dies Fiese des Profits wegen tut oder einfach aus Bosheit.
Auch bei der FIFA mag nicht alles rational ablaufen. Ein Unternehmen ist sie aber juristisch nicht: Am 21. Mai 1904 in Paris gegründet, ist die Fédération Internationale de Football Association heute ein in der Schweiz als gemeinnützig eingetragener Verein mit Hauptsitz in Zürich.
Das macht sie vergleichbar mit anderen ehrenwerten Gesellschaften wie dem im nahen Lausanne ansässigen International Olympic Comitee (IOC). Beider Gemeinsamkeit, der Vereinsstatus eines global agierenden Ausrichters der populärsten Sportwettkämpfe der Neuzeit, gibt nicht nur die Vergleichsmöglichkeit her, wer sich wie korrupt verhält; es lassen sich auch Rechtsgründe für den einen nennen, die für den andern gelten müssten.
Etwa bei der Frage, ob die FIFA Spielführerbinden verbieten darf. Kartellrechtler Mark E. Roth argumentiert laut Kicker vom Montag mit der »Rule 40« des IOC als Präzedenzfall. Laut dieser Regel dürfen Athletinnen und Athleten während des Wettbewerbs nur für zugelassene Sponsoren werben. Nach Widerstand der deutschen Sportartikelindustrie duldet das IOC aber Werbung in begrenztem Maße. Roth dazu: »Das IOC hat sich auch verpflichtet, bei Überschreitung der gerade noch zulässigen Werbetätigkeit des Athleten nicht sportlich zu sanktionieren«, das Ahnden einer Zuwiderhandlung mit einer gelben Karte wäre »Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.«
Diese Stellung hat die FIFA zweifellos inne. Im WM-Jahr 2018 nahm der Verband 4,6 Milliarden US-Dollar ein. Fast neun Zehntel der Einnahmen fließen der FIFA durch die alle vier Jahre veranstaltete Männerfußballweltmeisterschaft zu. Da verwundert es nicht, wenn die FIFA-Oberen gerne das Doppelte hätten und lange für eine WM im Zwei-Jahres-Turnus stritten – im Gegensatz zu den europäischen und lateinamerikanischen Dachverbänden, die ihre nationalen und kontinentalen Spielbetriebe samt Werbeeinnahmen gefährdet sahen.
Wer sich nach dem Schmiergeldskandal um den im Juli dieses Jahres offiziell freigesprochenen Ex-FIFA-Präsidenten Joseph Blatter und den danach folgenden Reformen erhofft hatte, die FIFA würde auch praktisch gemeinnützig, der konnte nur enttäuscht werden. Amtsnachfolger Giovanni Infantino mag formal weniger Macht haben als Blatter, eine von »organisiertem Verbrechen und Korruption beeinflusste« Struktur, wie es US-Behörden 2015 erklärten, ist und bleibt die FIFA allemal.
Bloß Infantino scheint es noch an anderen Kompetenzen zu mangeln: Im Januar äußerte er in Strasbourg vor dem Europarat, man müsse mehr World Cups veranstalten und so »den Afrikanern Hoffnung geben«, damit sie nicht auf der Flucht ersaufen; Südafrika hat von seiner Ausrichtung 2010 einen Nettoverlust von 2,1 Milliarden Euro davongetragen. Und kurz vor Beginn des Turniers in Katar sagte der mit seiner tragischen Doppelrolle als Herrscher und wahrsprechender Hofnarr mehr und mehr überfordert Scheinende, er sei da, um »Fußball und Ungerechtigkeit« (»football and injustice«) zu verteidigen.
Die WM 1934 fand im faschistischen Italien statt, die von 1978 zur Zeit der Militärjunta in Argentinien. Über die sagte der ehemalige peruanische Senator Genaro Ledesma im Jahr 2015, dass das 6:0 des Gastgebers gegen Peru geschoben wurde (vermutlich zu dem Preis, dass im Gegenzug peruanische Oppositionelle in Argentinien liquidiert wurden). Die FIFA zeigt seit eh und je, dass es ihr vor allem ums Geschäft geht, unabhängig von den Rahmenbedingungen.
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