»Tamara Bunke stellte Fragen, die weiterhin aktuell sind«
Interview: Gitta Düperthal
An diesem Sonnabend wäre Tamara Bunke, auch bekannt als »Tania la Guerillera«, 85 Jahre alt geworden. Die einstige Dolmetscherin Che Guevaras, die später auch in dessen Guerrilla aktiv war, wurde 1967 in Bolivien von der Regierungsarmee und dem US-Auslandsgeheimdienst CIA getötet. Was können wir aus ihrer Lebensgeschichte lernen?
Genau das wird Thema einer Veranstaltung an diesem Samstag sein, die das Kommunalpolitische Forum Land Brandenburg e. V. in Eisenhüttenstadt organisiert. Dort lebte sie einige Zeit, und wir werden in der Stadt ihre besondere Persönlichkeit würdigen. Zu Zeiten der DDR trugen viele Institutionen noch ihren Namen. Seitdem die DDR nicht mehr existiert, erinnert nichts mehr daran. Anlässlich ihres 85. Geburtstags eröffnete vergangene Woche eine Fotoausstellung zu ihrer Person. Unter den Eisenhüttenstädter Bürgerinnen und Bürgern gab es große Resonanz darauf. Denn viele erinnerten sich an sie – gerade ältere Menschen, die mit ihr zusammen die Schule besuchten oder im selben Wohnblock lebten.
Warum ist ihr politischer Kampf für heutige Generationen noch relevant?
Sie stellte Fragen, die weiterhin aktuell sind. Es ging ihr darum, einen Beitrag im Kampf gegen koloniale Abhängigkeit und für das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu leisten. Dafür steht sie bis heute. Mit ihrer persönlichen Biographie, die sehr international ist, kommt das authentisch herüber. Sie ist in Argentinien geboren. Ihre Eltern waren zur Zeit des deutschen Faschismus als Kommunisten politisch verfolgt worden und nach Südamerika ins Exil gegangen. Nach Gründung der DDR kehrten sie nach Deutschland zurück. Tamaras starke Verbundenheit zu Lateinamerika ließ sie Anfang der 60er Jahre an der Berliner Humboldt-Uni eine Gruppe zum politisch-kulturellen Austausch gründen.
Nachdem sie Che Guevara als Dolmetscherin in Leipzig kennengelernt hatte, ging sie 1961 nach Kuba, wo sie in Ministerien und im Frauenverband FMC arbeitete. Welche Gesellschaftsvisionen hatte sie für den Inselstaat?
Kuba war einst vor allem wirtschaftlich eine Marionette der USA. Der Sieg der Revolution 1959 zeigte, was alles möglich ist. Sie wollte aktiv am Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft mitwirken und dazu beitragen, die Ziele der Kubanischen Revolution umzusetzen: etwa die soziale Gerechtigkeit und die Überwindung der kapitalistischen Besitzverhältnisse. Durch die Verstaatlichung der Unternehmen wurden deren Werte in die Hände des Volkes zurückgeführt. Beispielhaft war zu sehen, wie ein Volk sich erhebt und Abhängigkeiten abschüttelt.
Es ist nach wie vor richtig, Ideale einer besseren Gesellschaft zu haben und diese auch weiterhin anzustreben. Diese Ideen auch in andere Regionen weiterzutragen entsprach Tamaras Werten und begründete ihre Entscheidung, später nach Bolivien zu gehen.
Welche Bedeutung hat Tamara Bunke als historische Persönlichkeit für die Kubanerinnen und Kubaner?
Sie steht zwar nicht in der ersten Reihe der kubanischen revolutionären Persönlichkeiten wie Fidel und Raúl Castro, Camilo Cienfuegos oder Che Guevara, aber sie ist bekannt. Einrichtungen sind nach ihr benannt: unter anderem die Tamara-Bunke-Schule, eine Grundschule in Mayabeque, die Cuba Sí als Soliprojekt unterstützt hat.
Was ist Ziel Ihrer Veranstaltung am Sonnabend, bei der auch der Dokumentarfilm »Tania la Guerrillera« gezeigt wird?
Es geht darum, Tamaras Wirken wieder ans Tageslicht zu befördern. Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, teilzunehmen und sich zu erinnern. Vor Ort wird Oliver Rump, Professor der Museumskunde an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft, sein. Er übergab im Jahr 2015 dem kubanischen Staat Teile des Nachlasses von Tamara für die Che Guevara gewidmete Gedenkstätte in Santa Clara. Die Wanderausstellung mit Fotos zum Thema ist auch noch bis 26. November in Eisenhüttenstadt zu sehen.
Miriam Näther ist Koordinatorin der Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí in der Partei Die Linke
Veranstaltung in Eisenhüttenstadt: Sonnabend, Alte Ladenstr. 11, 15 Uhr
Aufklärung statt Propaganda
Die Tageszeitung junge Welt liefert Aufklärung statt Propaganda! Ihre tägliche Berichterstattung zeigt in Analysen und Hintergrundrecherchen auf, wer wie und in welchem Interesse handelt. Jetzt das Aktionsabo zum Preis von 75 Euro für 75 Ausgaben bestellen!
Ähnliche:
- Eric Richard/jW-Archiv09.02.2022
Konsequent an der Seite Kubas
- jW-Archiv18.11.2017
La guerrillera
- Bundesarchiv30.12.2014
Stärkere Anbindung
Mehr aus: Feuilleton
-
Veranstaltungen
vom 19.11.2022 -
Was ins Mögliche sich dehnt
vom 19.11.2022 -
Petruschkes Auftritt in der Maischberger Puppenkiste
vom 19.11.2022 -
Die Feige auf dem Hummus
vom 19.11.2022 -
Die Katar-WM und wir
vom 19.11.2022 -
Nachschlag: Blinde Flecken
vom 19.11.2022 -
Vorschlag
vom 19.11.2022