Brummifahrer im Ausstand
Von Carmela Negrete
An diesem Montag wollen die Lkw-Fahrer in Spanien unbefristet in den Streik treten. Die Ankündigung weckte bei einigen im Land die Sorge, dass sich die Ereignisse vom März wiederholen könnten. Damals hatte ein 20tägiger Ausstand inklusive Straßenblockaden Engpässe nach sich gezogen. Allerdings scheint die Situation jetzt eine andere zu sein. Zum Streik aufgerufen hat eine »Plattform zur Verteidigung der Speditionsbranche«, die nur eine Minderheit mittlerer und kleiner Unternehmen sowie selbstständiger Lkw-Fahrer vertritt. Die größeren Berufsverbände und Gewerkschaften haben sich dem Aufruf nicht angeschlossen.
Zuvor hatten laut der Tageszeitung El País am 5. November 86 Prozent der befragten Provinzdelegierten der Plattform für die Aufnahme des unbefristeten Ausstandes gestimmt. Die Plattform fordert die Anwendung eines eigentlich im August in Kraft getretenen Gesetzes sowie mehr Kontrollen seitens der Arbeitsinspektion. Die neue Norm war nach dem Streik im März zwischen dem größten Speditionsverband CNTC und dem Transportministerium ausgehandelt worden. Sie soll garantieren, dass Unternehmen nicht mit Verlusten arbeiten, was bei Lieferungen für große Händler passieren kann, mit denen vertraglich ein Fixpreis festgelegt wurde.
Zudem wurden nach den Protesten im März umfangreiche Hilfen für die Speditionsbranche festgelegt. So sieht ein entsprechendes Dekret direkte Zahlungen von insgesamt rund 450 Millionen Euro vor, hinzu kommen Nothilfen für die Unternehmen in Höhe von einer Milliarde Euro. Bis Ende des Jahres subventioniert der spanische Staat die Spediteure mit einem Rabatt auf Kraftstoff, der bei 20 Cent pro Liter liegt.
Mehrere Unternehmen klagen jedoch, dass die Hilfen angesichts der schlechten Wirtschaftslage nicht ausreichten. So zitierte El País den Vorsitzenden der Plattform, Manuel Hernández, vor einer Woche mit der Aussage, die Kosten für die Spediteure seien in diesem Jahr bereits um 30 Prozent gestiegen. Das führe dazu, dass sich jeden Tag Tragödien abspielten – »es gibt sogar Fälle von Selbstmord«. Transportministerin Raquel Sánchez vom sozialdemokratischen PSOE bezeichnete den Streikaufruf hingegen als »sinnlos« und erklärte, die Regierung habe »alle Verpflichtungen erfüllt«. Auch der größte Unternehmerverband im Speditionswesen, der Spanische Verband für Güterverkehr (CETM), lehnt den Ausstand ab, da er zu weiteren Engpässen und Preissteigerungen führen könne.
Kritiker des Protests vermuten ohnehin eine andere Motivation bei den Protestierenden. Bereits im März hatten Gerüchte die Runde gemacht, den Streikenden gehe es in erster Linie darum, die Regierungskoalition in Madrid zu schwächen – obwohl deren zuständige Politiker die Notwendigkeit anerkannten, den Lkw-Fahrern sowie kleinen und mittleren Speditionsunternehmen unter die Arme zu greifen. Äußerungen des damaligen Plattform-Sprechers José Fernández, hinter US-Präsident Joseph Biden stehe der »satanische Zionismus«, nährten die Vermutung. Auch der derzeitige Vorsitzende Hernández soll laut dem Onlineportal El Plural Verbindungen zu Ultrarechten haben. Die extrem rechte Partei Vox unterstützt die Proteste.
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