Besteuerung »könnte fair sein«
Von Burkhard Ilschner
Die teilstaatliche Hamburger Reederei Hapag-Lloyd sorgt mit einer Zwischenbilanz für Schlagzeilen: Wie die Fachzeitschrift Hansa am Donnerstag vorrechnete, erwartet der Konzern für die ersten drei Quartale dieses Jahres mit knapp 13,8 Milliarden Euro einen rund 2,5mal höheren Gewinn als im Vorjahreszeitraum; damals wurden »nur« 5,6 Milliarden Euro verdient. Die Agentur dpa sieht die Reederei »in punkto Profit in diesem Jahr in einer Liga zum Beispiel mit Volkswagen und Mercedes-Benz«. Perspektivische Konsequenzen will Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen aber erst mit der Gesamtjahresbilanz im März formulieren.
Der Grund liegt auf der Hand: Rasant steigende Frachtraten haben Einnahmen in zuvor ungekannter Höhe in die Kasse nicht nur der Hamburger Reederei gespült. Nun werden pandemisch bedingte Störungen der Lieferketten zwar sukzessive behoben, dafür steigen die Kosten nicht nur für Energie. Transportkapazitäten sind weniger knapp, registriert wird eine Abschwächung der Nachfrage nach Containertransporten insbesondere im »Headhaul-Verkehr«, also auf Linienrouten zum Beispiel von und nach Fernost. Der in Dänemark ansässige Branchenverband Baltic and International Maritime Council (BIMCO) etwa meldete jüngst, das Frachtaufkommen im Headhaul-Verkehr sei im September um 15,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gesunken. Laut Hansa sieht BIMCO-Analyst Niels Rasmussen das als Warnung, »dass aufliegende Schiffe und weitere Frachtratensenkungen bevorstehen« könnten.
Die Phase exorbitanter Einnahmen bei knappem Schiffsraum hat führende Reedereien zu vielen Neubauaufträgen veranlasst: Die globale Containerschiffsflotte zählt nach Angaben von Alphaliner aktuell 6.489 Einheiten mit einer Kapazität von 26,233 Millionen TEU (Einheit für 20-Fuß-Standardcontainer) – das sind 140 Schiffe und 0,693 Millionen TEU mehr als im März. Zugleich stehen in den Orderbüchern der Werften allein für die zehn weltgrößten Reedereien Neubauaufträge für 363 weitere Schiffe mit 4,502 Millionen TEU Kapazität. Rasmussen mahnt, die Schifffahrtskonzerne hätten unter dem Druck schwächelnder Weltwirtschaft und rückläufiger Transportmengen eine seit 2019 um 11,8 Prozent gewachsene Flotte zu managen und dabei weiteres Flottenwachstum von 9,9 Prozent allein bis 2023 zu bewältigen.
Die Risiken sieht auch Jansen, zeigt sich aber verhalten optimistisch: Die aktuell starke Bilanz werde »helfen, auch in schwierigem Fahrwasser Kurs zu halten«. Dabei räumte der Konzernchef ein, dass die geringe Steuerlast durch die umstrittene Tonnagesteuer beträchtlich zu dem Ergebnis beigetragen habe und reagierte einlenkend auf zunehmenden öffentlichen Druck: Es könne eventuell »fair« sein, an diesem System etwas zu ändern. Ob das ernst gemeint ist oder wegen Wettbewerbsdrucks – auch andere Staaten kennen diese Ministeuer – doch wieder im Elbschlick versinkt, bleibt abzuwarten. In diesem Kontext schaut die Branche auch gebannt auf die ausstehende Entscheidung der EU-Kommission über die Gruppenfreistellungsverordnung, der Kritiker nachsagen, sie begünstige die Oligopolbildung in der Schiffahrt.
Tatsächlich hat der Konzentrationsprozess bei den globalen Reedereien sich verstärkt: Seit Jahren teilen sich fünf Große die Spitze (mit gelegentlichen Verschiebungen untereinander): die Schweizer MSC, der dänische Mærsk-Konzern, Frankreichs CMA CGM Group, der chinesische Staatskonzern Cosco sowie Hapag-Lloyd. Aktuell stellen diese Reedereien rund 64 Prozent der globalen Transportkapazität – gut fünf Prozent mehr als noch vor fünf Jahren.
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