Khan gegen Kompromiss
Von Thomas Berger
Bisher vergeblich: Pakistans Staatspräsident Arif Alvi hat seit dem Wochenende gleich zweimal öffentlich angeboten, zwischen den verfeindeten politischen Lagern zu vermitteln, um wenigstens in grundsätzlichen Fragen zu einer Einigung zu finden. Statt dessen deutet alles auf eine weitere Verschärfung des Konfliktes hin. Die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) von Expremier Imran Khan will an diesem Donnerstag ihren sogenannten langen Marsch auf die Hauptstadt Islamabad fortsetzen. Dieser war Ende Oktober von Lahore aus gestartet und am 3. November etwa auf halber Strecke in Wazirabad unterbrochen worden, nachdem Oppositionsführer Khan auf dem ihm als Bühne dienenden Containerlastwagen angeschossen worden war. Der mutmaßliche Attentäter wurde überwältigt und festgenommen. Ob er allein gehandelt hat oder Komplizen hatte – angeblich wollen Augenzeugen neben seinen Pistolenschüssen auch noch das Abfeuern einer automatischen Waffe vernommen haben –, ist weiter unklar.
Khan hat den Anschlag relativ glimpflich überstanden. Zwar trafen ihn mehrere Kugeln im Bereich der Beine, weshalb er in einer Klinik in Lahore operiert werden musste. Lebensbedrohlich waren die Verletzungen aber nicht. Aus dem Krankenhaus gab der Politiker seither mehrere Statements ab. So forderte er, die Justiz müsse gegen Regierungschef Shehbaz Sharif, Innenminister Rana Sanaullah und einen hohen Militär als die angeblichen Drahtzieher des Attentats ermitteln. Ohne die explizite Aufnahme ihrer Namen, heißt es, erkenne man auch die Anzeige nicht an, die der Polizeichef der Provinz Punjab, in der Wazirabad liegt, am Montag auf Anordnung des Obersten Gerichts erstellt hat. Die Richter hatten ihm dafür eine Frist von 24 Stunden gesetzt. Bisher ist nur von dem Festgenommenen, dessen Name mit Naveed angegeben wird, als Beschuldigtem in Sachen Terrorismus, Mord und Mordversuch die Rede. Ein PTI-Mitglied war getötet, sieben teils ranghohe Parteivertreter verletzt worden.
Unter den Anhängern des im April erstmals in der Landesgeschichte per Misstrauensvotum als Regierungschef abgesetzten Khan kocht die Stimmung weiter hoch. Über die vergangenen Tage gab es in mehreren Städten, unter anderem in Karatschi, gewaltsame Zusammenstöße mit Einsatzkräften, die mit zunehmender Härte gegen Protestierende vorgehen. Die Justiz soll auf Anregungen aus Regierungskreisen zudem neue Anklagen gegen Khan und enge Vertraute vorbereiten. Khan selbst kündigte aus dem Krankenhaus an, dass es »keinen Kompromiss« mit den beiden die Regierungskoalition anführenden Parteien geben werde – die Pakistanische Muslimliga-Nawaz (PML-N) von Premier Sharif und die Volkspartei (PPP) von Außenminister Bilawal Bhutto-Zardari. Letzterer hatte sich unmittelbar nach dem Anschlagsversuch bestürzt gezeigt und Khan per Twitter zügige Genesung gewünscht. Solcherlei Anteilnahme wird längst von konfrontativen Tönen überlagert. Die PTI will ihren »langen Marsch« erst beenden, wenn ein Termin für umgehende Neuwahlen deutlich vor dem bisher als Termin fixierten 7. Mai feststeht.
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