Herero und Nama geben nicht auf
Von Ina Sembdner
Die Wut ist groß, das Interesse der früheren Kolonialmacht gering. Am Dienstag organisierte Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke, ein Pressegespräch mit Vertretern der Ovaherero und Nama aus Namibia in Berlin. Der Einladung gefolgt war aus dem Parlament sonst niemand, auch die Presse hielt sich vornehmlich zurück. Zu Gast waren Mutjinde Katjiua, Chief der Ovaherero Traditional Authority, Sima Luipert von der Nama Traditional Leaders Association, Joyce Muzengua vom Landless People’s Movement sowie die auf dekoloniale Rechtskritik spezialisierte Anwältin Karina Theurer.
Sie alle eint, dass sie die im vergangenen Jahr zwischen Berlin und Windhuk geschlossene sogenannte Joint Declaration ablehnen. Gemeinsam mit Dagdelen, die kommende Woche nach Namibia reisen wird, arbeiten sie daran, den Verhandlungsprozess erneut ins Rollen zu bringen. Die Bundesregierung erkannte in der Erklärung zwar an, dass »die in Phasen des Kolonialkrieges (in Deutsch-Südwestafrika, jW) verübten abscheulichen Greueltaten in Ereignissen gipfelten, die aus heutiger Perspektive als Völkermord bezeichnet würden«. Die deutsche Position sei jedoch, so Katjiua, dass die verfolgten Ovaherero und Nama zum damaligen Zeitpunkt nicht unter dem Schutz internationalen Rechts gestanden hätten, weil dieses nicht für »wilde Stämme« gegolten habe – es also keinen Völkermord gegeben hat. Dem persönlichen Empfinden der heutigen Nachfahren zufolge habe sich an dieser rassistischen Grundhaltung bis heute wenig geändert.
Ein weiterer Beweis dafür, wie Theurer anführte: Die »Verhandlungen« seien vom »Namibia-Sonderbeauftragten« der letzten Regierung, Ruprecht Polenz (CDU) – dessen »rassistische Gesinnung« Luipert anprangerte –, so durchgedrückt worden, dass es eine Angelegenheit von Staat zu Staat geworden sei. Die »Chiefs«, die als partizipative Geste dazugeladen wurden, hätten diese Titel teils erst erhalten, um das Bild eines inklusiven Dialogs aufrechtzuerhalten. Entsprechende Papiere, die dies bestätigten, lägen vor, erklärte Katjiua.
Alles in allem also ein abgekartetes Spiel, mit dem Berlin versucht, einer tatsächlichen Entschädigung für die begangenen Kolonialverbrechen zu entgehen. Die Regierung in Windhuk verfolgt demgegenüber das Ziel, möglichst viel Geld rauszuholen, von dem die marginalisierten Gemeinschaften der Ovaherero und Nama jedoch wenig erhalten.
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