Testosteron will schwitzen
Von Maximilian Schäffer
»It’s the economy, stupid!«
James Carville
Ein romantisch-lustiges Schwulenfilmchen aus Hollywood mit Budget. Für wen? Anscheinend für niemanden, denn »Bros« floppte in den USA kolossal. Drehbuchautor und Hauptdarsteller Billy Eichner wusste sogleich die Verantwortlichen auszumachen: Heterosexuelle. Böse Normalos mit internalisiertem Hass konnten wohl nicht anders als sein Meisterwerk zu ignorieren. Billy Eichner ist seit Jahren bekannt für seine vulgären Tiraden gegen Männer, Mütter, Republikaner, Landbevölkerung, Trump-Wähler, Christen, jegliche irgendwie »nichtqueeren« Personen und alles, was per Schlagwort nicht ins aktuelle neoliberale Hirngespinst der woken US-Demokraten passt. Geschäftlich hat so etwas natürlich keinen Sinn. Wer regelmäßig mindestens sieben Achtel des zahlungsfähigen Publikums beleidigt, muss sich nicht wundern, wenn die Kinokassen leer bleiben. Ideologisches Geschwurbel bleibt ohne Staatskohle halt nur Nische. Der Markt regelt.
Perspektivwechsel: »Bros« soll schließlich ein Film aus der »Community« (Lieblingswort von Antikommunisten aka Sozialdemokraten) für die »Community« sein. Was will der schwule Mann, um den es ja geht, also in »Bros« wiederfinden? Erzählt wird die sich anbahnende Liebesbeziehung von Bobby (Billy Eichner) und Aaron (Luke Macfarlane), zwei New Yorker Yuppies an der Grenze zur Soziopathie. Bobby ist Aktivist für die »Community« mit den vielen Großbuchstaben, er ist beziehungsunfähig und kann nur auf schwulen Popkulturreferenzen kommunizieren. Jeder Satz ein flotter Spruch, jeder Kommentar ein sarkastisches Witzelchen. Aaron hingegen stammt aus dem Hinterland, war in der Highschool Sportler und ist tendenziell schüchtern und ruhig. Sie lernen sich oberkörperfrei in der Gaydisco kennen, beide füllen ihre Freizeit gern mit schnellen Sexdates, Gangbangs und dem dafür notwendigen Besuch im Fitnessstudio. Bobby ist sehr stolz auf seinen Lebenswandel, denn allein und unabhängig laufen Karrieren am besten.
Doch dann kommt tatsächlich so etwas wie eine starke, unerklärliche Zuneigung dazwischen. Bobby und Aaron verknallen sich ineinander – es ist die »Liebe«. Und sie ist schwierig, schließlich füllte das urbane Schwulendasein mit all seinen unmittelbaren Impulsbefriedigungen plus der Identifikation als linksliberale Demokraten-Wähler bisher sämtliche Leeren von Bobbys und Aarons Gefühlsleben aus. Für beide wird die »Liebe« zum Akt der Selbstfindung, der eigentlich bestimmte Verhaltensweisen der »Community« hinterfragen müsste, wäre er ehrlich. So weit will man aber nicht gehen. »Bros« beschäftigt sich vor allem mit dem positiven Konnotieren all der gängigen Chimären der »grünen« Parteien der Welt. Da tanzen schwarze Transsexuelle mit halbnackten übergewichtigen Männern bei Champagner, und es heißt Vielfalt, heißt Freiheit, heißt Frieden, heißt Ukraine, heißt Liebe.
Wer zum Beispiel Schwule ernst nehmen will, muss aber deren ganz radikale Vielfalt – von der Häkeltante bis zum »Gay for Trump« – akzeptieren. Denn die Gemeinsamkeiten schwuler Männer finden sich bei rechtlicher Gleichstellung und absenter Strafverfolgung höchstens noch zwischen den Beinen. Grindr und Sexklub sind der kleinste gemeinsame Nenner der »Community«. Testosteron will ficken und schwitzen – wenn zehn Lesben im Darkroom tanzen, daneben zwanzig hippe Touristen laut gackern, sind die einzig notwendigen Schutzräume des Schwulen im Jahr 2022 abgeschafft. Dass die im Grunde auch wieder dämlich und ungesund sind, hat nur ihn selbst zu interessieren. Filme wie »Bros« allerdings machen es sich einzig zur Aufgabe, fürs westliche Establishment zu lügen. Sie konstruieren Interessengruppen, Selbsthilfegruppen, Lebensstilgruppen unter dem Vorwand der »Community«. Sie hinterfragen kein Glück, sie lügen über die »Liebe«. Sie sind die Feinde jeglicher Solidarisierung, die Gegner jeder Bewegung, sie spalten die Bevölkerung im Auftrag des Kapitals. Bobby Eichner ist eingetragenes Mitglied der Demokratischen Partei in den USA und einer »demokratiefördernden« Wahlkampfgruppe mit dem irreführenden Namen »Swing Left«.
»Bros«, Regie: Billy Eichner, USA 2022, 115 Minuten, bereits angelaufen
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