Erstmals ohne absolute Mehrheit
Von David Bieber
Die senegalesische Opposition feiert, obwohl sie bei der Parlamentswahl nur zweitstärkste Kraft geworden ist. Nach den, wie es im Senegal heißt, provisorischen offiziellen Wahlergebnissen, die die nationale Wahlkommission am Donnerstag abend in Dakar verkündet hat, bleibt die Regierungskoalition Benno Bokk Yaakaar (BBY) von Staatspräsident Macky Sall zwar die stärkste Kraft in der Nationalversammlung. Sie verliert aber deutlich Sitze (insgesamt 43) im Vergleich zu den vergangenen Parlamentswahlen aus dem Jahr 2017. Damit büßt sie mit nur 82 Sitzen auch ihre absolute Mehrheit im 165 Sitze zählenden Abgeordnetenhaus ein.
Die beiden Oppositionslisten Yewwi Askan Wi (YAW) und Wallu Senegal, die zusammen als Wahlbündnis auftraten und künftig im Parlament wohl eine Koalition bilden könnten, kamen nach den ersten Zahlen auf insgesamt 80 Sitze. Der Ausgang der Parlamentswahl in Senegal war so eng wie noch nie.
Die Opposition wertet dieses Ergebnis als »historischen Erfolg« und als »Lektion für Macky Sall«. Denn noch nie seit der Unabhängigkeit des Senegal von Frankreich im Jahre 1960 hat die Regierungskoalition eine absolute Mehrheit im Parlament verpasst. Salls BBY muss sich nun mühsam Partner aus den Reihen der vielfältigen Opposition für ihre Gesetzesvorhaben zusammensuchen. Die Opposition besteht neben dem großen Wahlbündnis YAW-Wallu vor allem aus einzelnen Abgeordneten von Kleinstparteien. Das sind für Sall alles andere als günstige Aussichten – auch im Hinblick auf die Präsidentenwahl in anderthalb Jahren.
Es wird seit Monaten kolportiert, dass Sall für eine dritte Amtszeit als Präsident des Senegals kandidieren wolle, was zu heftigen Protesten und Unmut in der Bevölkerung geführt hat. Das sieht die aktuelle Verfassung jedoch nicht vor. Sall schwieg bislang zumindest öffentlich zu diesen hartnäckigen Gerüchten. Seine mutmaßlichen Ambitionen dürften nun aber so oder so ein abruptes Ende gefunden haben. »Die Frage nach einer dritten Amtszeit von Sall ist vom Volk bereits bei dieser Wahl definitiv geregelt worden. Mit diesem Parlament hat er keine Möglichkeit mehr, die Verfassung entsprechend für ein drittes Mandat zu ändern«, erklärt der Verfassungsrechtler Ngouda Mboupan von der staatlichen Cheikh-Anta-Diop-Universität in Dakar gegenüber jW.
Auch sind nur etwa 47 Prozent der Wahlberechtigten zur Stimmabgabe am Sonntag gegangen. Ein Zeichen dafür, dass die Senegalesen mit der aktuellen Politik und ihrem Präsidenten unzufrieden sind. Bei der vergangenen Parlamentswahl stimmten immerhin noch knapp 54 Prozent ab.
Da die Opposition Wahlbetrug in einzelnen Wahlbezirken vermutet und bereits Einspruch bei der nationalen Wahlkommission gegen die vorläufigen Ergebnisse eingelegt hat, wird die Verkündung der endgültigen Wahlergebnisse noch andauern.
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