Frontex will Hubschrauber
Von Matthias Monroy
Die Europäische Grenzagentur Frontex will ihre Flotte von Luftfahrzeugen mit Helikoptern ergänzen. Eine fehlgeschlagene Ausschreibung soll noch in diesem Jahr nachgeholt werden, die Beschaffung könnte dann im kommenden Jahr erfolgen. Das schrieb die neue Frontex-Direktorin Aija Kalnaja vergangene Woche in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der EU-Abgeordneten Özlem Demirel von der Partei Die Linke. Die Drehflügler sollen demnach in Einsatzräumen fliegen, in denen es an geeigneten Landeplätzen für Flugzeuge und Drohnen fehlt.
Vor zwei Jahren hatte Frontex »Drehflügler-Überwachungsmissionen« im Wert von drei Millionen Euro europaweit vorgesehen. Diese waren Teil einer Ausschreibung für Lang- und Mittelstreckenflüge mit bemannten Luftfahrzeugen im Wert von 100 Millionen Euro. Bei jeder Ausschreibung müssen mindestens zwei Auftragnehmer antreten. Für den Wettbewerb um die Hubschrauberdienste erhielt Frontex nur zwei Angebote. Ein Bieter wurde jedoch abgelehnt, weil die Auswahlkriterien nicht erfüllt wurden. Dazu heißt es, dieser habe Bedingungen für Datenschutz und -sicherheit nicht einhalten können.
Mit nur einem vorliegenden Angebot muss eine Ausschreibung durch eine »Nichtvergabe-Entscheidung« annulliert werden. Spätestens im vierten Quartal will Frontex eine neue Ausschreibung veröffentlichen, ein Rahmenvertrag könnte dann bis zum Sommer 2023 unterzeichnet werden. Zu den Szenarien der anvisierten Luftüberwachung mit Drehflüglern schreibt Frontex, diese sollten eingesetzt werden, wenn »weder mit einem bemannten noch mit einem ferngesteuerten Flugzeug« geflogen werden kann. Hierzu gehören bergige Gebiete oder Flussläufe. Die Hubschrauber könnten zudem mit ihren »Schwebeflugfähigkeiten« punkten.
Die beschriebenen Fähigkeiten passen auf Grenzflüsse wie den Evros, der zwischen Griechenland und der Türkei verläuft. Dort setzt Frontex in der Landmission »Poseidon« bereits ein an ein 1.000 Meter langes Kabel gebundenes Luftschiff ein. In der Region wurden nach Medienberichten bereits Tausende Menschen völkerrechtswidrig durch die griechischen Grenztruppen auf türkisches Gebiet zurückgeschoben, Schätzungen zufolge sind dabei Hunderte gestorben. Allein in diesem Jahr sollen laut Hilfsorganisationen 30 Leichen von Geflüchteten angeschwemmt worden sein.
Welche Firmen sich um den Frontex-Auftrag beworben haben, ist unklar. Zu den führenden europäischen Herstellern von Hubschraubern gehört der Airbus-Konzern, der auch große Drohnen für Frontex fliegt. Zusammen mit den Flugzeugen der Grenzagentur übernehmen sie die Luftaufklärung für die sogenannte libysche Küstenwache, die bislang über keine eigenen Luftfahrzeuge verfügt.
Das könnte sich bald ändern, denn auch die Regierung in Libyen hat dem Hubschrauberhersteller schon einen Besuch abgestattet. Der damalige Innenminister Fathi Baschagha reiste dazu vor zwei Jahren persönlich nach Frankreich und ließ sich verschiedene Drehflügler vorführen.
In Paris wurde Baschagha von den französischen Innen-, Außen- und Verteidigungsministern empfangen. Zudem traf sich die Delegation »mit einer Reihe von Beamten des französischen Polizeiluftfahrtsektors«, wie Baschagha damals erklärte. Man habe sich demnach »auf ein Programm geeinigt, um die Fähigkeiten der libyschen Polizei aufzubauen«. Insgesamt hat Baschagha zehn Hubschrauber von Airbus bestellt. Zu den Einsatzorten zählen die Überwachung der Küsten, die Seenotrettung und die Verfolgung »illegaler Migration«.
Ob und wann die Drehflügler geliefert werden, ist indes unklar, auch wer diese konkret erhält. Denn inzwischen ließ sich der ehemalige Innenminister zum Premierminister des abtrünnigen Abgeordnetenrates im ostlibyschen Tobruk ernennen. Nun schickt Baschagha seine Milizen in den Bürgerkrieg gegen die »Regierung« in Tripolis.
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