Anschlag auf »Linkes Zentrum«
Von Raphaël Schmeller
Bei einer Explosion in der Innenstadt von Oberhausen ist am frühen Dienstag morgen das Parteibüro der Linken erheblich beschädigt worden. Die Detonation habe sich um 3.20 Uhr am Friedensplatz ereignet, erklärte eine Polizeisprecherin aus Essen am Dienstag nachmittag gegenüber jW. Niemand sei verletzt worden. Die Ursache für die Explosion sei zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar, teilte die Beamtin weiter mit. Es gebe auch kein Bekennerschreiben oder sonstige Hinweise auf einen Täter. »Eine politische Tat können wir im Moment weder bestätigen noch ausschließen.« Man ermittle »in alle Richtungen« und sei auf die Hilfe aus der Bevölkerung angewiesen.
Der Fraktionschef der Partei Die Linke in Oberhausen, Yusuf Karacelik, erklärte im Gespräch mit dieser Zeitung, er habe am Dienstag morgen gegen 3.30 Uhr einen Anruf eines Anwohners erhalten und sei um vier Uhr vor Ort gewesen. »Da waren Polizei und Staatsschutz schon da«, erzählte Karacelik, dessen Büro sich im zerstörten »Linken Zentrum« befindet. Den Schaden konnte er zum Zeitpunkt des Telefonats noch nicht beziffern, »sicher ist nur, dass dieser immens ist«.
Laut Karacelik handelt es sich um einen »Sprengstoffanschlag«, denn »dass es Sprengstoff war, sieht man nicht zuletzt daran, dass auch die gegenüberliegenden Läden etwas abbekommen haben«, so der Linke-Politiker. Er ist außerdem davon überzeugt, dass es sich um »rechten Terror« handelt. Warum? »Wir haben in den letzten Wochen und Monaten sehr viele Drohbriefe von Rechten bekommen, und es wurden wiederholt Neonaziaufkleber auf unsere Scheiben geklebt.« Das alles habe man minutiös dokumentiert und zur Anzeige gebracht, »eine Reaktion von den Behörden haben wir aber nie erhalten«.
Karacelik fühlt sich von den Behörden deshalb im Stich gelassen und spricht diesen nun eine Mitverantwortung für den Anschlag zu. »Die Polizei nimmt das Problem mit den Rechten immer noch nicht ernst und fragt uns jetzt, ob der Angriff nicht auch aus unseren Reihen kommen könnte.« Das alles erinnere ihn an den NSU oder Hanau, so Karacelik.
Nach dpa-Informationen kurz vor jW-Redaktionsschluss soll die Polizei Hinweise auf einen selbstgebastelten Sprengsatz gefunden haben. Aus Ermittlerkreisen heiße es, so die Nachrichtenagentur, dass eine sogenannte unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung verantwortlich sein könnte, gebaut unter anderem mit »Blitzsprengstoff«, wie ihn Feuerwerkskörper enthalten. Ein Polizeisprecher aus Essen konnte diese Information auf jW-Nachfrage nicht bestätigen. Die Tatortarbeit sei abgeschlossen, es stehe aber noch nicht fest, was die Explosion hervorgerufen habe. Die Lage sei weiter »unübersichtlich«. Für Karacelik dagegen stand bereits fest: »Das war ganz klar ein Anschlag auf uns.«
Sommerabo
Die Tageszeitung junge Welt ist 75 Jahre alt und feiert dies mit dem Sommeraktionsabo. Du kannst 75 Ausgaben für 75 Euro lesen und täglich gut recherchierte Analysen zu tagesaktuellen Themen erhalten. Schenke dir, deinen Freundinnen und Freunden, Genossinnen und Genossen oder Verwandten ein Aktionsabo und unterstütze konsequent linken Journalismus.
-
Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin ( 5. Juli 2022 um 21:56 Uhr)Gegen Links ist jedes Mittel Rechts. Wie gehen wir Linken aber damit um? Handeln wir solidarisch, in diesem offensichtlichen Fall sicherlich. Aber wie weit geht die Solidarität der Linken sonst? Ob es imperiale Tendenzen im Handeln der Russischen Föderation gibt, kann ich weder lesen noch kommentieren. Aber schon die ersten Zeilen, die ich lesen kann, finde ich für einen Linken »unwürdig«. Dieser Bruderkrieg hat schon einmal in den Faschismus geführt. DKP, MLPD, KPD und Die Linke behandeln sich wechselseitig unwürdig. Sich der längst überwunden geglaubten Sprache von Josef Wissarjonowitsch zu bedienen, um den vermeintlichen Abweichler zu beschimpfen, ist eines Demokraten unwürdig. Eine halbe Welt ist daran schon zugrunde gegangen, Linke sind in der Regel klug, aber sind wir auch lernfähig? Die Namen derer aufzuzählen, die den Begriff »Sozialismus« so in den Dreck gezogen haben, wie sie es taten, ist wenig hilfreich für die Zukunft, deshalb werde ich mich auch nicht daran beteiligen. Links sein heißt für mich menschlich zu sein, die Meinung meines Gegenübers nicht immer zu teilen, aber zu respektieren. Links sein ist tolerant und verlangt mein eigenes Denken täglich zu überprüfen. Links sein heißt täglich dazulernen und mein eigenes Handeln an den Maßstäben von Solidarität, Menschlichkeit und Toleranz zu messen. Links sein verlangt nicht zwangsläufig nach einem Studium der Philosophie, obwohl es hilft, aber es verlangt Achtung vor jedem Menschen. Man sollte seinen Feind nicht hassen, man muss einfach nur besser sein als er.
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
- REUTERS/USAF-Handout/KM/HB07.10.2021
Andauernd Krieg
- REUTERS/Jim Hollander11.09.2021
Grenzenloser Staatsterror
- Thomas Imo/imago/photothek01.07.2021
Offene Fragen
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Neue Bomben, größere Gefahr
vom 06.07.2022 -
Hanseatisches Kartenhaus wackelt
vom 06.07.2022 -
Vom Heim in die Klinik
vom 06.07.2022 -
Produktionsstopp bei Tesla
vom 06.07.2022