Schlacht ums Wasser
Von Oliver Rast
Auch Wasser wird immer knapper. Und die Verteilungskämpfe um das kühle Nass nehmen Fahrt auf. Die vergangenen Dürrejahre in vielen Landstrichen dieser Republik zeigen Wirkung – in Berlin-Brandenburg etwa. Daran ändern auch die 3.000 Oberflächengewässer rund um die Hauptstadt nichts. In der Region wird so viel Wasser verbraucht wie seit 25 Jahren nicht mehr, hieß es am Montag in einem Bericht auf tagesschau. de. Demnach lag der Wasserverbrauch pro Person 2019 in Brandenburg bei 120,1 Liter, 2016 waren es noch 111,4.
Vor einer Verengung des Blicks warnte am Montag Michael Ganschow, Geschäftsführer der Grünen Liga Brandenburg, im jW-Gespräch. Denn: »Die Debatte um den Wasserverbrauch lässt sich nicht auf die öffentliche Wasserversorgung reduzieren, wozu die Versorgung der Privathaushalte zählt.« Die nichtöffentliche müsse berücksichtigt werden. Also der Verbrauch der industriellen Wasserschlucker.
Das Zahlenwerk ist eindeutig: Allein der Bergbau in Brandenburg verbrauchte 2016 rund 266 Millionen Kubikmeter Wasser. Zum Vergleich: private Haushalte knapp 155 Millionen, so das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg in seinem jüngsten Bericht vom April 2019. Neuere Daten gibt es nicht. Die werden im Dreijahrestakt erhoben, immer rückwirkend für drei Jahre. Im November sei mit einem neuen Landesstatistikbericht zu rechnen, so Ganschow.
Davon unabhängig sind die Folgen längst messbar: »Wir haben es in Brandenburg mit ständig sinkenden Pegelständen zu tun«, wurde Irina Engelhardt, Hydrogeologin der Technischen Universität in Berlin, auf tagesschau.de zitiert. Zwar gebe es regionale Unterschiede in den Wasservorkommen und saisonale Schwankungen. Dennoch bestehe kein Zweifel daran, dass langfristig immer weniger Wasser zur Verfügung stehen wird.
Alarm hatte bereits vor Monaten der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) in Ostbrandenburg geschlagen. Wasser wird dort seit Dezember faktisch rationiert. Der WSE vereinbart bei Verträgen mit Privathaushalten als Neukunden eine Deckelung der Versorgung. Unter dem Strich dürfen Privathaushalte, die einen neuen Wasseranschluss etwa in einem neu gebauten Haus legen, nur noch 105 Liter Wasser pro Person und Tag verbrauchen. Unternehmen wird es hingegen einfach gemacht, Wasser regelrecht abzugraben. Bekanntes Beispiel: US-Elektroautobauer Tesla. Mit seiner Gigafactory in Grünheide ist Firmenboss Elon Musk einer der größten Ressourcenverschwender – teils inmitten eines Trinkwasserschutzgebiets. Und das ärgert Christian Leye (Die Linke). »Die Nutzung von Grundwasser als Trinkwasser muss für die Verbraucher in der Region oberste Priorität haben«, betonte der wirtschaftspolitische Sprecher seiner Bundestagsfraktion am Montag gegenüber jW.
Wassermangel gibt es, wenig überraschend, auch in anderen Bundesländern. Das Problem wiederum: die schlechte Datenlage. Zudem nehmen juristische Auseinandersetzungen zwischen Landwirtschaftsbetrieben, Umweltverbänden und Behörden um die Wasserversorgung zu. In elf von 16 Bundesländern, so tagesschau.de.
Am vergangenen Freitag hatte das regierungsnahe Journalistenprojekt »Correctiv« eine Studie zum horrenden Wasserverbrauch der deutschen Großindustrie veröffentlicht. Während das Bundeskabinett mit einer bunten PR-Kampagne private Verbraucher zum Wassersparen auffordert, fließt das Wasser für Konzerne zügellos. Dabei nutzen der Studie zufolge Kohletagebaue, Chemie- und Nahrungsmittelkonzerne insgesamt fast viermal soviel Fluss- und Grundwasser wie alle Einwohner Deutschlands zusammen. Abgesichert ist das mittels jahrzehntelanger Verträge, die den Unternehmen oftmals ein abpumpbares Wasserquorum gewähren, was sie momentan noch gar nicht benötigen. Linke-Politiker Leye: »Entgegen dem Interesse der Mehrheit der Bevölkerung.«
Zu den Spitzenreitern im Verbrauch zählen laut »Correctiv« die Tagebaue von RWE, die rund 500 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich verschlucken. Zum Vergleich: Das ist der Jahresverbrauch von zirka elf Millionen privaten Verbrauchern. Und noch etwas fällt auf: Für Konzerne ist das Wasser beinahe gratis. RWE zahlt nach Angaben der Studienmacher pro Kubikmeter Wasser 0,05 Euro, Verbraucher 4,40 Euro. »Unser Wasser wird an die Industrie verschachert, und dieser werden so Milliardenprofite ermöglicht«, empörte sich Leye. »Gutes und bezahlbares Trinkwasser« sei Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und »keine private Handelsware Industrieller«.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (28. Juni 2022 um 17:41 Uhr)Die einfachsten Güter dieser Erde werden am Ende die wertvollsten sein: Brot und Wasser.
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