Menschenrechtsverteidigerin des Tages: Britische Regierung
Von Ina Sembdner
Manche munkeln, es sei das eigentliche Ziel des »Brexits« gewesen, andere glauben, dass das Deportationsabkommen mit Ruanda einzig zu diesem Zweck geschlossen wurde. Am Mittwoch legte die britische Regierung einen Gesetzentwurf vor, der es in sich hat und das Königreich endlich von den Fesseln der Europäischen Menschenrechtskonvention befreien soll. London, das es innerhalb einer Woche schaffte, dem Schlächter von Bagdad (nein, nicht Saddam Hussein) die Ritterehre zu verleihen und Julian Assange für die Veröffentlichung eben jener Kriegsverbrechen des Mitverantwortlichen Sir Anthony Blair dem sicheren Tod in den USA preiszugeben, ist neben dem Zündeln für den Atomkrieg also auch innenpolitisch immer wieder für eine böse Überraschung gut.
So heißt es in dem Entwurf schwurbelig, die Meinungsfreiheit werde im Rahmen einer »Bill of Rights« mehr Gewicht erhalten. Nur um im nächsten Absatz festzuhalten, dass die als Ersatz für die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vorgesehene Bill dazu beitragen werde, »dass keine trivialen Menschenrechtsklagen die Zeit der Richter und das Geld der Steuerzahler verschwenden«. Was hier unter trivial läuft, ist zum Beispiel die letztwöchige »erniedrigende« Intervention aus Strasbourg in letzter Minute gegen die erste Abschiebung Asylsuchender nach Ruanda. Der britische Supreme Court hatte mit der Praxis, Asylverfahren mit dem Wunschziel, Migranten, die »unser Land ausbeuten« (Innenministerin Patel) dauerhaft 6.400 Kilometer entfernt zu wissen, kein Problem.
Das wiederum lässt die Alarmglocken im Fall des von Washington verfolgten Journalisten Assange schrillen. Seine Verteidigung strebt gerade eine Berufung bei eben diesem Obersten Gericht gegen seine Auslieferung an – als letzte mögliche Instanz gibt es dann nur noch den EGMR.
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